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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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sind!“

7.

    Am Morgen vernahm Alix im Halbschlaf, wie der schwere Balkenriegel wieder zurückgeschoben wurde. Estrella schlüpfte herein, in ihre dunkle Spitzenmantille gekleidet.
    „Es dämmert schon“, sagte sie, als sie die Läden aufstieß. „Dieser schreckliche Maure kommt gleich zurück. Er will uns in die Kathedrale geleiten, zur Messe.“
    Schon stand sie vor der Truhe, um eines der kostbaren Gewänder für Alix auszusuchen. „Habt Ihr gewusst, dass Seiner Bischöflichen Gnaden kürzlich ein Erzbistum verliehen wurde? Ach, welch frommer Christ!“ Die zierliche Frau mit der spitzen Nase bekreuzigte sich mit flinken Fingern. „Und welch bescheidener Mann! Sicherlich bringt er es eines Tages zum Papst. Eure gute Mutter meinte das auch immer …“
    Alix war überrascht. Der Cahors war Erzbischof? Davon hatte niemand in Montpellier gewusst. Merkwürdig.
    In einem allerdings irrte Estrella: Bescheidenheit gehörte ganz sicher nicht zu den Tugenden dieses Mannes!

    Dicht an dicht gedrängt und aufgeregt hüstelnd reckten die Gottesdienstbesucher die Hälse, als Bartomeu von Cahors, grüngolden gekleidet, auf die Kanzel stieg, um zu predigen, und Alix musste zugeben, dass er, im Gegensatz zu Bischof Fleix von Montpellier, nicht nur eine laute, wohlklingende Stimme besaß, sondern auch ein begnadeter Redner war. Er arbeitete mit eindringlichen Bildern, so dass ihn auch die einfachen Leute verstanden, und es fehlte ihm auch nicht an lebhafter Gestik.
    „Nachdem von unserer heiligen Kirche ohne Zweifel die Wahrheit ans Licht gebracht wurde“, schallte seine Stimme an ihr Ohr, „sind die Wölfe ertappt worden, die zu euch in Schafsfellen kamen und eure Schar wie einen Bissen Brot, wie Schafe, die für die Schlachtbank bestimmt sind, verschlingen wollten; ertappt sind die Füchse, die den kostbarsten Weinberg des Herrn, eure Stadt, zu verwüsten suchten. Sie besudeln euren Ruf und verderben euren Glauben, und ihre Lehre frisst euch auf wie ein böses Geschwür …“
    Bartomeu von Cahors machte eine Pause und Alix beobachtete, wie er sich aufmerksam im Kirchenschiff umsah. Sie folgte seinem Blick, der zuerst das Chorgestühl mit den Mönchen streifte, dann auf acht mannshohen farbigen Abbildungen hängenblieb: Die Propheten David, Daniel, Jeremias, Jesaja, Ezechiel, Jonas, Ezra und Habakuk … Bei Pater Nicolas in die Lehre gegangen zu sein, zahlte sich aus, Alix konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sah sich Seine Bischöfliche Gnaden etwa in der Nachfolge der Propheten? Zuzutrauen war es ihm …
    Unauffällig blickte sie sich weiter um. Die hohe Säulenbasilika durfte erst vor einigen Jahren fertig geworden sein, denn die Farben der Wandgemälde leuchteten noch frisch. Adhémar me fecit , hatte sie beim Hereinkommen auf einer der Säulen gelesen. Adhémar hat mich gebaut! Stilisierte Pflanzen, phantastische Tiere, vier Teufel, die sich um das gespannte Fell einer Kuh stritten ...
    Der Erzbischof deutete mit dem Zeigefinger auf einzelne Männer und Frauen im Kirchenschiff und warnte vor den Katharern: „Nehmt keine Fremden oder unbekannten Prediger, es sei denn, sie predigen im Auftrag des obersten Pontifex` oder mit meiner Erlaubnis, denn was sollen sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind? Es sind Leute, die den Mantel der Frömmigkeit anlegen, deren Kraft aber ganz und gar verleugnen. Sie mischen unter die himmlischen Worte neue weltliche Ausdrücke und Gefühle wie Gift unter Honig. Hütet euch darum vor ihnen wie vor Giftmischern und erkennt unter den Schafsfellen die reißenden Wölfe …“
    Alles, was Alix bislang über die Katharer wusste, war das Wenige, was die Knechte und Mägde in Montpellier hinter vorgehaltener Hand erzählt hatten: dass sie weder die Mutter Gottes - auch nicht in Gestalt der Schwarzen Jungfrau von den Tischen -, noch das Kreuz verehrten, und dass sie keine Hühner aßen. Vater und Pater Nicolas hatten sich stets geweigert, allzu neugierige Fragen in Bezug auf die Ketzer zu beantworten. Nun aber galt es, auf jedes Wort zu achten, das der Cahors über diese Leute sagte. Bereits beim Ankleiden hatte Alix den festen Vorsatz gefasst, den Mund tunlichst geschlossen und dafür die Augen und Ohren offen zu halten. Schließlich mussten die Katharer - als Feinde des Erzbischofs - nicht zwangsläufig ihre Feinde sein.

    Sieh an, das Gänslein sitzt ganz still und brav dort unten in seiner Bank, tuschelt mit niemandem, sieht sich nur neugierig um, dachte seinerseits Bartomeu bei

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