Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Herrin vor Unheil bewahren kann.“
Mathilde schubste Olive unsanft von ihrem Schoß. Dann ging sie zur Tür, öffnete sie einen Spalt und spähte ins Stiegenhaus hinaus.
„Ich schwöre dir bei Gottes Leichnam, bei seinem Blut, seiner Lunge und seiner Leber“, sagte sie zu Estrella, als sie zurückkam, und die Kastilierin bemerkte erschrocken, dass Mathildes Gesicht unter der Schminke plötzlich ganz grau war, „und das höllisch Feuer soll mich verbrennen, wenn ich dir die Unwahrheit sage: Der Drache ist kein anderer, als der Erzbischof von Cahors, und die Hurerei ist seine Passion. Aber das ist noch nicht das Schlimmste …“
8.
Eine hohe Geburt schützt nicht vor einem Sturz in den Abgrund.
In der vierten Nacht, die Alix im Magdalenenzimmer verbrachte, hörte sie, wie plötzlich der Riegel zurückgeschoben wurde. Mit einem Öllicht in der Hand stand Rashid unter der Tür. „Zieht Euch etwas über und folgt mir“, sagte er, wie immer nicht unfreundlich. Alix` Herz klopfte dennoch zum Zerspringen, als sie dem Mann durch das kaum erleuchtete, eiskalte Stiegenhaus folgte. Sie wusste, dass der Cahors sie noch einmal sehen wollte.
Obwohl der Erzbischof sich während des gemeinsamen Nachtmahls recht zuvorkommend gezeigt hatte - teils ernst, teils amüsiert, hatte er Alix` Wissen über die christliche Lehre abgefragt -, war in seinen Augen die ganze Zeit über anderes gestanden. Und wäre sein Stellvertreter, dieser triefäugige, ausgezehrte und bleiche Bischof Sicard, nicht plötzlich wie ein Spuk zur Mitternacht als verirrte Fledermaus erschienen, armwedelnd, mit einem gehauchten Pax vobiscum auf den Lippen und wichtigen Neuigkeiten, die keinen Aufschub duldeten, hätte sie der Cahors erst gar nicht nach oben geschickt.
Ja, Alix ahnte durchaus, was jetzt auf sie zukam. Sie wusste, was Mann und Frau miteinander zu schaffen hatten. Vor zwei Jahren waren eines Nachmittags aus dem Keller des väterlichen Turms leise Stimmen und Lachen zu ihr hochgedrungen, gerade als sie nach draußen laufen wollte. Neugierig geworden, hatte sie sich die wenigen Stufen hinuntergeschlichen, bis zu dem Verschlag, in dem für gewöhnlich die Ölkrüge aufbewahrt wurden. Diese standen jedoch in Reih und Glied vor dem benachbarten Gewölbe, in dem der Kohl und die Rüben lagerten, und aus dem leergeräumten Verschlag drangen dafür die sonderbarsten Geräusche. Alix bückte sich, um durch eine der Ritzen zu spähen, als sie ein nacktes Hinterteil vor sich sah. Sie schrie laut auf vor Schreck, worauf die beiden „Übeltäter“ innehielten und dann, nur notdürftig ihre Blöße bedeckend, herausgekrochen kamen. Das pausbäckige und dralle Küchenmädchen, das erst vier Wochen zuvor aus Montagnac gekommen war, hatte Rotz und Wasser geheult, als der Koch ihr und ihrem Liebhaber zwanzig Stockhiebe ankündigte.
Rashid führte sie hinunter in den Saal und von dort eine Treppe weiter, ins Untergeschoß. Vor einer kleinen Tür hielt er inne. Der eiserne Riegel in Form einer Schlange, war bereits zurückgezogen, die Tür stand einen Spalt weit offen. Heißer Dampf quoll ihnen entgegen, als sie eintraten. Es roch nach Lavendel, Kamille und anderen Kräutern.
Fragend sah Alix auf Rashid. Führte er sie in eine Estuba , ein Schwitzbad für Kranke? Der Maure, in knöchellange blaue, knisternde Seide gekleidet, wich ihrem Blick aus. Mit Nachdruck schloss er hinter ihr die Tür, trat dann auf sie zu und machte Anstalten, ihr beim Auskleiden zu helfen.
„Was fällt Euch ein“, herrschte sie ihn an, nachdem der Umhang zu Boden gefallen war, „lasst bloß Eure schmutzigen Finger von mir, Scheusal!“
Ihre schrille Stimme ließ den Mann zurückweichen. Er wartete einen Augenblick, doch als sie den Mantel wieder umlegen wollte, nahm er ihn ihr entschlossen ab und erklärte, dass sie sich im Irrtum befände. Er sei kein Scheusal, wolle ihr nichts tun. Der Sidi verlange nach ihr.
Rashid deutete auf die Tür am anderen Ende der Kammer.
„Doch seht Euch vor“, warnte er sie, noch einen Tonfall leiser, „die letzte Frau, die es gewagt hat, sich ihm zu widersetzen, hat er mit den Füßen an ein Pferd binden und nackt durch die Stadt schleifen lassen!“
Auf Alix` erschrockenes Gesicht hin gab er ihr den Rat, sich zu fügen - aber auch nicht zu ehrerbietig zu sein, denn der Sidi könne weder das eine noch das andere leiden.
Alix schluckte … War es nun soweit, dass sich ihre schlimmsten Ahnungen erfüllen sollten? Und niemand kam ihr zur
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