Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Hilfe! Warum hatte sie sich nur nicht zuhause in den Brunnen gestürzt!
Mit Trippelschritten, Fuß an Fuß, wich sie so weit zurück, bis sie wieder mit dem Rücken an der Tür stand - die ganze Zeit hoffend, dass sich Rashid ihrer doch noch erbarmte und sie gehen ließ. Sie flehte stumm und mit angstvoll aufgerissenen Augen. Dann bot sie ihm Geld an, Schmuck, Edelsteine aus dem väterlichen Vermögen - und ärgerte sich, die goldene Kette der Mutter ausgeschlagen und das Schicksalsrad, das ihr der Vater geschenkt hatte, abgelegt zu haben.
Breitbeinig und mit verschränkten Armen stand der Maure vor ihr und schüttelte nur ein ums andere Mal den Kopf.
Als sie einen letzten verzweifelten Versuch unternahm, hinter sich heimlich die Tür zu öffnen, bereitete er der Sache ein Ende. Er machte einen Schritt auf sie zu und griff nach ihren Armen. Mit seiner Rechten umklammerte er ihre Handgelenke so fest, dass es schmerzte und mit der anderen Hand löste er die Schleifen ihres Gewandes.
Nackt schämte sich Alix schier zu Tode. Doch Rashid beachtete sie nicht. Er schob sie in die niedrige Badestube hinein und schloss hinter ihr die Tür. Sie taumelte wie betrunken.
Zuerst konnte sie fast gar nichts sehen vor lauter Hitze und Dampf. Mehr schlecht als recht tastete sie sich vorwärts. Das einzige Geräusch, das zu ihr drang, war das Holz, mit dem die offene Feuerstelle gespeist wurde. Es knackte und prasselte.
Plötzlich vernahm sie die Stimme des Erzbischofs. „Komm, mein Gänslein, die Stufen hinab und ins Wasser mit dir!“
Alix blieb stehen wo sie war. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie sah auf ihren Körper hinab, auf ihre Brüste, auf ihre Blöße. Sie versuchte, sich zu bedecken. Dabei dachte sie an Rashids Worte: „Fügt Euch, aber seid nicht zu ehrerbietig …“
Was wollte der Cahors eigentlich von ihr ? Sollte die Minne eines Erzbischofs nicht besser Maria gelten, der Mutter Gottes, der Stella Maris, der Königin des Himmels? Oder - wenn alle Stricke rissen - der Herrin von Montpellier, ihrer Mutter?
„Was ist denn, Jungfer, du wirst dich doch nicht vor mir fürchten?“, hörte sie ihn fragen, und nun, da sie sich an den Nebel gewöhnt hatte, sah sie seinen kahlen Schädel durch die Dampfschwaden schimmern.
Beinahe hysterisch lachte sie auf. Zugleich ließ sie ihre brennenden Augen umherschweifen. Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit … Sie wäre auf jeden Fall schneller zu Fuß als er, wenn sie nur erst wüsste, wohin sie flüchten konnte.
Der riesige runde Bottich, in dem der Erzbischof saß, gemauert und mit schönen Fliesen kunstvoll verziert, war zur Hälfte in den ebenfalls gefliesten Boden eingelassen. Wieder drängte der Cahors, sie möge doch ins Wasser steigen, und Alix machte tatsächlich einige, wenn auch zögerliche Schritte auf das Becken zu, aber nur um von dort Ausschau nach einer weiteren Tür zu halten, die es jedoch nicht gab.
In Reichweite des Beckens stand ein Holzzuber, gefüllt mit Wasser, in dem eine mächtige Schöpfkelle steckte. Auf dieser blieb ihr Blick hängen.
Sie kannte ihr Vorhaben noch gar nicht, als sie schon eine weitere flehentliche Bitte zur Schwarzen Madonna richtete - unbeirrt darauf hoffend, dass diese nicht nur in ihrer heimischen Krypta, sondern auch hier in Cahors genügend Macht besaß, ihr beizustehen.
„Nur zu“, hörte sie den Cahors wie aus weiter Ferne sagen, „gieß` ein wenig kaltes Wasser auf die Steine, der weiße Dampf lässt dich deine Scham vergessen.“
Da bückte sie sich rasch, nahm die Kelle in die Hand, schöpfte - und goss dem Mann einen gewaltigen Schwall kalten Wassers über seinen blanken Schädel.
Seine Bischöfliche Gnaden rang nach Luft. „Du kleiner Teufel“, rief er ausgelassen und lachte, was das Zeug hielt. „Ist das dein Einstand hier bei mir? Na, warte!“ Mit diesen Worten richtete er sich auf, grapschte nach ihrem Arm und zog sie mit eiserner Gewalt zu sich ins Becken. Dort hieß er sie, sich ihm gegenüber zu setzen. Dann wischte er sich das Wasser aus den Augen und grinste breit.
„Rashid“, brüllte er, „wo bleibt der Wein!“
Der Maure - Alix vermutete stark, dass er im Nebenraum alles mitbekommen hatte - ließ sich nichts anmerken, als er hereinkam. Er löste ein schmales Brett von der Wand und hakte es in das Wasserbecken ein, so dass es sich zwischen dem Cahors und Alix befand. Dann brachte er einen Krug mit Schwarzem Wein, zwei tönerne Becher, einen Holzteller mit ausgelassenem Speck sowie
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