Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
schaurige Begebenheit zurückzukommen: „Aber vielleicht haben die beiden sich so sehr geliebt, dass sie ihm deswegen in den Tod gefolgt ist“, wagte sie einzuwenden.
„Das mag sein, meine Kleine, die Liebe ist in der Tat eine starke Macht“, antwortete Eleonore von Saïssac gelassen. „Der Weg, den dieses junge Mädchen ging, ist jedoch einer der wichtigsten katharischen Pfade, um zur Erlösung und ins Paradies zu gelangen. Seht, die physische Welt um Euch herum, sie ist nichtig und eitel. Zur Befreiung der Seele aus ihrem unwerten menschlichen Körper bedarf es der wahren christlichen Hochzeit - der Vereinigung der Seele mit dem Parakleten, dem Heiligen Geist! Nichts anderes hat diese Frau getan, indem sie freiwillig die Welt verließ, ihren Freunden nacheilte. Aber es gibt noch einen anderen, weniger grausamen Weg zum Ziel: Es ist das Consolamentum, die Geist-Taufe. Sie macht aus einem einfachen Anhänger des katharischen Glaubens einen Perfekten, der jedoch fortan gezwungen ist, bis zum Tod ein heiligmäßiges Leben zu führen. “
„Nach Eurer Meinung hat also Gott alles Unsichtbare - wie auch die Seele - geschaffen, während der Teufel …“
„Wir nennen es das ´böse Prinzip`“, liebe Inés …“
„ … während das böse Prinzip alles Sichtbare - wie auch die Körperhüllen - erschuf?“
„Richtig. Das erklärt die dauernde Gegensätzlichkeit des Guten und des Bösen in der Welt. Aber grübelt nicht so sehr über diese verwickelten Dinge nach, meine liebe Tochter. Niemand, schon gar nicht Raymond-Roger, erwartet, dass Ihr Eurem Glauben entsagt oder gar bei einem katharischen Perfekten in die Lehre geht“, meinte Eleonore energisch. „Als zukünftige Vizegräfin sollt Ihr uns nur verstehen! Versucht dennoch, nach unseren sieben Tugenden zu leben, als da sind ´Demut, Wahrheitsliebe, Güte, Vertrauen, Großmut und Heiterkeit … ein größeres Geschenk könnt Ihr Eurem Gatten zur Hochzeit nicht machen.“
„Demut, Wahrheitsliebe, Güte, Vertrauen, Großmut und Heiterkeit? Aber das sind doch nur sechs Tugenden“, warf Inés ein.
Wieder lächelte Eleonore. „Die letzte ist nur für die Perfekten bestimmt. Die Keuschheit braucht Euch nicht zu belasten, meine Liebe!“
12.
Der Winter ging ins Land, die Tage waren still, doch die nächtlichen Quälereien des Cahors wiederholten sich in regelmäßigen Abständen. Lag sie in ihrem eigenen Bett, fühlte sich Alix wie ein einsamer Seefahrer in einem Schifflein auf stürmischem Meer, und der Wunsch, in ein anderes Land zu segeln, um frei zu sein, wurde übermächtig.
Wirklich unfrei machte sie aber die Erkenntnis, dass sie dem Wahnwitz nur unbeschadet entgehen konnte, wenn sie lernte, sich anzupassen. Die Schläge mit der Peitsche hätte sie ausgehalten. Nachdem einmal unvermittelt sein Stellvertreter, Bischof Sicard hereingeplatzt war, als er sie züchtigte - was dem Cahors sichtlich peinlich gewesen war -, schlug er sie jetzt nur noch selten und wenn, dann mit der flachen Hand, wie wenn man einen ungehorsamen, jedoch wertvollen Hund bestrafte. Doch als Bartomeu sie - betrunken wie er war - eines Abends mit einer Schnur aus Pferdehaar und Hanf fast erdrosselt hätte, und sie seinen schrecklichen hellblauen Augen ansah, dass ihm das gefährliche Spiel Spaß machte, wusste sie, dass ihr Leben an einem dünnen feinen Faden hing.
Alix, die gern das Herz auf der Zunge trug, verstummte. Fortan ließ sie mit geschlossenen Augen alles mit sich geschehen, was dieser Mann wünschte, wehrte sich nicht mehr. Das jedoch fand der Erzbischof wenig anregend - er wollte offenbar, dass sie zappelte, weinte, schrie, jammerte. Er musste sie quälen, demütigen, sie oder eine andere Frau, möglichst jung, möglichst schwach.
Aber auch nicht zu sanftmütig, wie Rashid gemeint hatte.
An manchen Abenden jedoch, war er ein anderer Mensch. Sprühend vor guter Laune und lustigen Einfällen und keineswegs verärgert, wenn sie ihm Schach bot oder auch einmal widersprach, schien er - wie früher in Montpellier - vor allem an ihrer Gesellschaft Gefallen zu haben.
„Fürchte dich nicht, du bist hier bei mir in Sicherheit, Alix“, hatte er ihr einmal gesagt, „Rom plant einen bewaffneten Zug in unser Land. Bald, sehr bald werden sie zu Tausenden kommen und alles niedermähen, was sich uns widersetzt. Eine neue Weltordnung wird entstehen, nachdem wir auch Jerusalem erlöst haben. Doch zuvor wird dieser Zug zu einer großen Kriegserklärung an das Haus Trencavel
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