Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
damnandorum multitudo .“
„Wenige werden gerettet, viele verdammt?“, fragte Alix leise nach.
Der Erzbischof fuhr zusammen, als sei er aus einem seiner üblen Träume erwacht. Er starrte auf die unberührten Pasteten, nahm eine in die Hand, roch und legte sie wieder weg. Er trank. Dann erhob er sich, um die Läden ein Stück aufzustoßen. Kalte Luft strömte herein, so dass sich Alix noch enger in den Pelz schmiegte. Fasziniert beobachtete sie, wie die Sonne aufging und ein zarter Streifen Rosa den östlichen Himmel überzog, sich allmählich dunkler färbte, um dann von einem Augenblick zum anderen in grellem Rotgelb aufzuleuchten. Schon wurden unten die Ketten der Zugbrücke herabgelassen. Alix reckte den Hals. Erste Frauen eilten mit Körben zum Fluss hinunter. Wenn sie sich ihnen nur anschließen könnte, „ihrem Novizenmeister“ entfliehen!
Sie wusste selbst nicht wie ihr geschah, als sie den Mund öffnete. „Lasst mich nach Hause reiten, Sénher!“, sagte sie mit fester Stimme.
Verwundert schlug er die Augen auf und betrachtete sie, als würde er sie zum allerersten Mal sehen. Dann fasste er nach ihrer Hand. „Ich staune immer wieder über deinen Mut, Alix. Und ich verstehe durchaus deinen brennenden Wunsch, mich zu verlassen, nach allem, was ich … dir angetan habe. Doch selbst wenn ich schon mit einem Fuß im Paradies stünde, müsste ich ihn dir abschlagen. Denn du hast hier bei mir noch eine Mission zu erfüllen.“
„Eine Mission? Wie meint Ihr das?“
„Ich will es dir erklären. Ein Erzbischof ist das geistliche Gegenstück zum weltlichen Fürsten. In Cahors bin ich beides in einer Person: Erzbischof und Fürst. Ich stamme aus einer der ersten Familien des Quercy. Mein Ruhm ist in aller Munde, nachdem ich die Stadt zum größten Bollwerk gegenüber der Häresie ausgebaut habe. ´Sèm de Caors, n' avèm pas paur` , sagen die Leute, ´wir sind von Cahors, wir haben keine Angst`. Weshalb auch! Verstehst du? Ähnlich wie Maguelone ist Cahors aufgrund seiner Insellage uneinnehmbar, und die Stadt ist reich. Sie war es schon immer. Bereits vor siebenhundert Jahren konnte es sich einer meiner Vorgänger, der Heilige Didier, leisten, die Säulen zum Bau der ersten Kathedrale aus Toledo kommen zu lassen. Er war Vertrauter und Schatzmeister der merowingischen Könige. Damals hieß Cahors noch Cadurca. Als die Stadt dann das Münzrecht erhielt, war das der Beginn der weltlichen Bischofsmacht. Inzwischen haben sich unzählige lombardische Geldwechsler hier angesiedelt, wie auch die Ritter des Salomonischen Tempels. Der Heilige Vater und die päpstliche Legation setzen auf mich; ja, selbst der König von Aragón wird sich auf meine Seite schlagen, wenn es um die Ausmerzung der Häresie und den Fortbestand unserer Mutter Kirche geht. Am heiligen Osterfest will ich mich mit ihm und dem Erzbischof von Maguelone in Rom treffen … Aber jetzt zu dir, Alix von Montpellier, zu dir und deiner Mission.“
Der Erzbischof erklärte ihr, dass es für ihn als hochstehenden Prälaten nur die Möglichkeit der copula carnalis , also der fleischlichen Gemeinschaft mit einer Frau, gebe. Eine offizielle Eheschließung sei ihm versagt. Doch sein Geschlecht dürfe nicht aussterben. „Ich habe dich zu dem Zweck auserwählt, mir einen Sohn zu schenken, der nach meinem Tod mein Erbe antreten und dereinst über Cahors herrschen wird. Er wird anders sein als diejenigen Söhne, die ich vor ihm gezeugt habe, weil du anders bist. Er wird schön sein, klug und gerecht. Er wird deinen und meinen Stolz besitzen, denn das Blut unser beider Samen ist gleich kräftig. Groß und mächtig wird er werden und sich, seinem Stand entsprechend, in den Künsten, der Literatur und den Wissenschaften hervortun.“
Bartomeus Augen loderten bei seiner Schilderung, als ob er den Sohn bereits vor Augen sah. „Du wirst ihn mir gebären, Alix, und zwar hier in Cahors, unter Zeugen, danach magst du dich auf meinen Sommersitz, das Schloss Mercurius, zurückziehen oder - frei sein. Das ist deine Mission …“
21.
„Mit Verlaub, ich halte ein Kolloquium, wie es der König von Aragón für das nächste Frühjahr vorschlägt, für unnötig! Man kann unsere Kirchen nicht mehr miteinander vergleichen, denn wir haben uns losgesagt von einem Dogmatismus, der dem Volk nur blinden Glauben aufzwingt“, meinte Bernhard von Simorre, der Katharerbischof von Carcassonne, der in seinen jungen Jahren Philosophie und Theologie studiert hatte und auch sonst ein
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