Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
tatsächlich ihr galt. Ihr Herz pochte und alles kribbelte in ihr, so dass sie meinte, auf der Stelle aufspringen und sich erkennen geben zu müssen. Wie hatte der Spielmann gesungen? Euch winkt ein wonniges Asyl, dank dem edlen Trullo-Spiel?
Wie konnte sie den Männern mitteilen, dass ihre Botschaft angekommen war? Sie überlegte kurz. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und flüsterte dem Erzbischof etwas ins Ohr. Der Cahors - dem glasigen Blick nach bereits betrunken - sah sie ungläubig an. Dann überzog eine tiefe Röte sein Gesicht. Er erhob sich schwerfällig, ließ Villaine rufen.
„Wir hören, Ihr habt ein altes Trullo-Brett in Eurem Besitz? Was wollt Ihr dafür haben?“ sagte er.
Villaine triumphierte innerlich. Ohne Alix zu beachten, gab er dem Erzbischof zu verstehen, dass das Brett erst morgen käuflich sei, heute würde es noch gebraucht. „Seht nur die Vielzahl Eurer Gäste, die sich für das Turnier interessieren, Eure Erzbischöfliche Gnaden. Es geht den Menschen gut in Eurer Stadt!“ Er lächelte. „Wollt Ihr uns, mein hoher Herr und Gönner, nicht die Ehre erweisen, den Trullo-Tjost zu eröffnen?“
Der Cahors wies das Ansinnen von sich, deutete dafür auf Alix. „ Sie wird das Spiel eröffnen“, sagte er schmunzelnd „und wie ich sie kenne, wird sie es Euch nicht leicht machen. Seht Euch also vor. Das Geld des Fürsten dieser Stadt verdient man sich nicht mit großem Mundwerk.“
Der Erzbischof erhob sich etwas schwerfällig und gab Rashid ein Zeichen. Der nestelte an seinem Gewand und reichte ihm einen kleinen Lederbeutel. Der Cahors schob das Säckchen Alix hinüber.
„Dreißig tolosanische Livre - das Jahresgehalt eines Verwalters“, sagte er zu ihr. Dann entschuldigte er sich bei den Ehrengästen, die auf der Estrade saßen. Er müsse an seine bevorstehende Reise denken und sich schonen. Und leise, zu Alix gebeugt: „In Anbetracht dessen, was du mir gerade offenbart hast, meine Liebe, magst du heute gerne mein Geld auf den Kopf stellen!“
Zwei Pagen geleiteten den Erzbischof in seine Gemächer, und Alix bemühte sich, ihre Erleichterung nicht zu zeigen.
„Ich gebe, wie ich`s habe, und nehme, wie ich`s kriege!“
Villaine schwitzte Blut und Wasser, als ihn Alix über das Brett jagte, denn er selbst beherrschte das Trullo-Spiel nur unzureichend. Die Spielbretter sahen obendrein in jeder Stadt, ja, in jeder Burg anders aus.
Im Nu hatten sich etliche Neugierige um den Tisch versammelt, die die beiden anfeuerten. Hinter Alix` Rücken stand breitbeinig Rashid, der sie nicht aus den Augen ließ.
Spiralförmig waren auf dem großen Brett Dutzende von bunten Feldern aufgemalt. Ausgehend vom Rand, dem Land der Bauern, wo es Höfe gab, Schweine- und Hühnerställe sowie saftige Wiesen, führte die Reise der bunten „Hühner“ durch einsame Wälder in ein Kloster, über wilde Flüsse und hohe Berge hinein in die Stadt - zu den Handwerkern, Händlern, Bürgern - und Spelunken. Hatte man die nicht ungefährliche Stadt erfolgreich hinter sich gelassen, gerieten die Hühner in eine finstere Höhle, in der ein feuerspeiender Drache hauste. Hier galt es mehrere Abenteuer zu überstehen, bevor das Ziel nahte: Eine prächtige Burg mit vielen Türmen und Zinnen, die sich in der Mitte des Spielbretts befand. Von dort musste sich der Verlierer, wenn er für das letzte Huhn unglücklicherweise nicht die richtige Augenzahl der Würfel erreicht hatte, von den Zinnen stürzen. Dem Gewinner jedoch winkte ein großer Schatz - bestehend aus einem Korb mit goldenen Hirsekörnern.
Es waren die Spielsteine, die Alix` Phantasie anregten, um Villaine auf sich aufmerksam zu machen. Ganz vorsichtig begann sie mit ihm über das Trullo-Spiel zu kommunizieren, denn sie hatte gemerkt, dass es sich ausgezeichnet für bestimmte Anspielungen eignete. Geschickt richtete sie es ein, dass sie mit dem weißen Huhn auf dem Bauernhof festsaß.
„So ein Pech!“, rief sie in gespielter Verzweiflung. „Die Hühnerleiter ist zusammengebrochen, das arme weiße Huhn wird nun so lange eingesperrt bleiben, bis es sein Ei gelegt hat.“
„Jedes Spiel braucht seine Zeit - die goldnen Körner sind noch weit“, dichtete Meister Villaine, der bereits mit vier Hühnern bei den Handwerkern angelangt war. „Der Schreiberling braucht seine Feder, der Schuhmacher das weichste Leder …He, Leute“, rief er den Umstehenden zu. „Gibt es in eurer schönen Stadt nicht einen tüchtigen Schuster? Ich meine, ich hätte gestern
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