Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
beobachtet hätte, auf Befehl des Kaisers geblendet würde. Tja, plötzlich war niemand mehr bereit gewesen, den Frevel des Gastes zu bezeugen, und …“
„ … und der Gesandte konnte unversehrt, wenn auch mit heftigem Magenknurren, nach Hause reisen“, ergänzte die Wölfin.
Lautstarke Erleichterung bei den Gästen, die sich bereits wieder den Schüsseln zuwendeten.
Doch da hob Na Loba noch einmal die Hand.
„ Bien parlez “, sagte sie mit einer eleganten Verbeugung zu ihrem Mann. „Doch was lehrt uns diese Geschichte, meine lieben Freunde?“
Alle zuckten die Schultern.
Da verzog sie voller Ironie den schmalen Mund und deklamierte: „Wer den Fisch hält bei dem Schwanz, dem bleibt er weder halb noch ganz!“
Das ausgelassene Gelächter auf der Burg Cabaret wollte kein Ende nehmen, nachdem - wie auf das Stichwort hin - die gesottenen Forellen serviert wurden. Selbst als ein letztes Mal die Becken mit wohlriechendem Wasser aufgetragen wurden, versetzt mit Lavendel und orientalischem Rosenduft, damit die Gäste ihre Hände reinigen konnten, und nur noch die Diener drüben im schattigen Zelt aßen, machte Na Lobas Witz die Runde. Wie die Schellenbälle vom Vortag flogen die Scherze von einem zum anderen.
Es war bereits später Nachmittag, die Mägde hatten einen Morisken-Tanz mit orientalischen Kostümen aufgeführt, und die Gäste saßen beim Naschwerk, als der Trencavel, vertieft in ein Gespräch mit Peter von Cabaret, unvermittelt aufmerkte.
„So seid doch einmal still, Freunde!“ rief er aus. „Habt ihr das nicht gehört? Da war ein Heulen, unten im Tal!“
Alles lauschte. Nach einer Weile hörten es die anderen auch.
„Ouiiii, Ouiiii“ - ein langgezogenes, garstiges Heulen. Dann wieder Stille, so dass man einzig das Rauschen des Windes in den hohen Wipfeln der die Burg umgebenden Tannen vernahm.
Sie warteten … Nichts ... Nur ein Abzählreim der Kinder, die vor dem offenstehenden Tor spielten ...
Doch im gleichen Augenblick, als die Gäste ihre Gespräche wieder aufnahmen, schallte es erneut vom Tal herauf. Schauerlich und noch viel lauter als zuvor: „Ouiiii, ouiiii, ouiiii …“ Nun begannen die Kinder zu schreien.
“Gott im Himmel, das muss dieser elende Wolf sein!“, rief Brunissende. Sie klatschte in die Hände. „Ihr Knechte, holt die Kleinen herein. Los, macht schnell!“
Während die Bediensteten hinausliefen, um das Schärlein Kinder in den Burghof zurückzutreiben, eilten die Cabaret-Brüder zur Rüstkammer.
„As armas, chivaler!“ , schallte Peters kräftige Stimme über den Hof.
Wieder heulte es laut. Das Tier schien näher zu kommen …
Hastig verteilten die Brüder die Sau- und Hirschfedern. Auch der Trencavel hatte sich erhoben, um mit auf die Jagd zu gehen. Zwar war es am Heiligen Pfingsttag nicht erlaubt, die Treuga Dei , den Gottesfrieden, zu brechen, doch handelte es sich hier eindeutig um einen Notfall.
„Ängstigt euch nicht“, sagte er zu den Frauen. „Um diese Jahreszeit gibt es hier keine Wolfsrudel. Das Tier mag krank sein.“
„Nehmt auch die Hunde mit!“, rief Peter.
Da fiel mit rauer Stimme Na Loba ihrem Schwager ins Wort: „Nichts da, bels fraire , die Hunde bleiben hier! Ich reite mit euch. Und niemand außer mir legt Hand an diesen Wolf, habt ihr das verstanden!“
Als alle sie verwundert ansahen, erklärte sie, dass das Ziel des Jägers nicht die Tötung des Tieres sei, sondern einzig eine Aufforderung zu einem sportlichen Zweikampf. Sie schnappte sich das nächstbeste Pferd, schwang sich hinauf und verließ hoch zu Ross noch vor den Männern die Burg.
Brunissende, die ängstlichen Kinder um sich geschart, warf einen nachdenklichen Blick auf Inés. „Findet Ihr es nicht auch merkwürdig“, meinte sie „dass die Jagdknechte keine Wolfsangel ausgelegt haben? Sie wussten doch, dass das Tier verletzt war. Also, ich verstehe das nicht …“
Es dauerte geraume Zeit, bis die Ritter und Na Loba zurückkamen.
Lachend und aufgeregt durcheinander redend, warfen sie die Waffen auf einen Haufen. Die Knechte führten die Pferde weg.
Da schlug plötzlich Brunissende die Hände über dem Kopf zusammen. „Seht nur, wen sie mitgebracht haben! Es ist Peire Vidal! Peire Vidal! Habt ihr gehört, Leute!“, rief sie laut und stolz über den Hof! „Es ist Vidal!“
Selbst Inés errötete vor Freude, als sie den berühmten Troubadour erkannte. Der Sänger, der vor drei Jahren im Turm von Montpellier gewesen war, stammte aus bescheidenen
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