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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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er den Wolf spielte, um die Wölfin zum Zweikampf herauszufordern.
    Erneut sprangen die Mägde herbei, dieses Mal mit Wasserkrügen und sauberem Linnen, um Vidals Wunde zu reinigen und zu verbinden. Während Brunissende geschäftig von einer zur anderen eilte und genaue Anweisungen gab, hielt die Wölfin Vidals rechte Hand umklammert und presste sie, gemeinsam mit der ihren, auf ihr Herz.
    Zutiefst betroffen betrachtete Inés die Szene, während der Trencavel aus den Augenwinkeln heraus seine Frau beobachtete. Als Eheleute waren sie sich von Herzen zugetan, doch nun bekamen sie eine Lektion in Sachen wahrer Liebe erteilt.

38.

    Selbst die Raben krächzen heute von der falschen Seite, dachte Alix entmutigt, als sie einen der ledernen Säcke zurechtrückte, um sich anzulehnen. Der Rücken schmerzte.
    Zwei Tage war der schwer beladene Maultierzug schon unterwegs, während es ununterbrochen geregnet hatte. Wann immer sich einzelne Abschnitte des über Weidenruten gespannten Stoffdaches mit Regenwasser gefüllt hatten, drückten die Kinder diese mit vereinten Kräften wieder nach außen. Doch je länger es regnete, desto durchlässiger wurde die Plane. Sämtliche Kleidungsstücke, die sie am Leib trugen, waren klamm.
    Es wurde nur wenig gesprochen auf den Wagen.
    Alix kam die Stille recht, jede Störung ihrer Gedanken empfand sie als Zumutung. Meist saß sie fröstelnd da, die Augen geschlossen, sinnierend. Das Hochgefühl, das sich nach der gelungenen Flucht eingestellt hatte, war verschwunden. Irgendetwas fehlte ihr, doch was?
    Die Juden waren nicht unfreundlich, aber der stumme Vorwurf einer, wenn auch nur geringen Mitschuld Alix` am Tode Löws, stand ihnen dennoch ins Gesicht geschrieben.
    Esther war vor Kummer ernsthaft krank geworden. Bis zur Nasenspitze zugedeckt lag sie unter einem wärmenden Fell, ohne dass dieses ihr fiebriges Zittern hätte stillen können. Manchmal bäumte sie sich gar auf, schlug um sich, suchte den Vater …
    Am Zoll- und Wachhaus in Cahors hatte es für eine Weile recht bedenklich ausgesehen. Alle Jüdinnen hatten sich einer strengen Kontrolle unterziehen müssen. Bevor die Reihe an Alix war, zog sie unauffällig den Schleier ein Stück tiefer in die Stirn, senkte züchtig den Blick, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. Itzhak Moses stieg ihretwegen sogar vom Wagen, um dem Soldaten zu erklären, dass es sich bei ihr um Rachel handele, die Tochter seines verstorbenen Bruders Jaakov.
    „Seht her, da steht ihr Nam` g`schriebn“, er deutete auf die Liste, die er mit sich führte, „der ehrenwert` Bischof Sicard hat die Gnad g`habt, sie abzuzeichnen! Und da ist sein Siegel.“
    Alix` Atem wurde flach, als der Soldat sie besonders aufmerksam musterte. Ihr Herz pochte, während schwere Zweifel und Ängste sie heimsuchten. Pelfort hatte zwar gemeint, sie sei sicher, weil nach Löws Tod niemand damit rechnen würde, dass ausgerechnet Juden sie aus der Stadt schafften, aber er konnte sich auch getäuscht haben.
    Als sie jeden Augenblick damit rechnete, dass ihr der Soldat den Schleier abnahm, war ihr Esther als rettender Engel zu Hilfe gekommen:
    „Rachel“, rief sie trotz ihrer tiefen Trauer zu ihr hinüber, „nachdem dein Bräutigam wartet und mit ihm deine neue Mischpoke, hast du den weißseidenen Stoff für die Chuppa eingepackt, den ich dir zu Jom Kipper geschenkt habe?“
    Alix hatte sofort begriffen, eifrig genickt und auf eine der beiden Kisten gedeutet, die neben ihr im Wagen gestapelt waren. Daraufhin war der Soldat weitergegangen, zum nächsten Gefährt, wo der Novize Martin zwischen allerlei Reisegepäck saß und ebenfalls um sein Leben bangte. Doch auch hier war alles gut gegangen.
    In der Ungewissheit, was die Zukunft brachte, und während der Wagen heftig hin und her schaukelte, fragte sich Alix wieder und wieder, ob es nicht besser gewesen wäre, sie hätte sich klaglos in ihr Geschick ergeben. Wenn es sich nämlich so verhielt, dachte sie bei sich, dass Gott einen Menschen, der Mut bewies, belohnte, gleichzeitig aber völlig willkürlich einen Unschuldigen mit dem Tode bestrafte, so war das nicht nur im höchsten Maße ungerecht, sondern auch unbegreiflich. Bis an ihr Lebensende würde sie Löws wegen das Gewissen plagen, obwohl sie seinen Tod nicht zu verantworten hatte - auch wenn das einige Juden glaubten. An Carcassonne zu denken, ihr Leben nach Cahors, versagte sie sich völlig, selbst die Vorstellung, Inés bald in die Arme zu schließen, war ihr fremd. Alix, die

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