Alkor - Tagebuch 1989
noch’ne Disco auf!»
Helmstedt auch. /Das Ganze wirkt wie eine Science-Fiction-Sendung, als ob sich das einer ausgedacht hat./Er ist das zweite Mal schon da, heute./«Datt dett allet eins ist, wie sich datt gehört.»/ Der Sprecher wie Pfarrer Sommerauer./Dieser Jubel richtet sich natürlich nicht nur auf Stereogeräte./«Einwandfrei!»/Eine menschliche Wiedervereinigung sei das.
Luxus will er nicht, er will nur ganz einfach leben. / Vopo:«Ick fühl’ mir ganz schön verscheißert.»/ Kursverfall, 5 Mark West für 100 Mark Ost./Momper betätigt sich als Verkehrspolizist, denkt nicht dran, daß das historische Aufnahmen sind, die Wege müssen freigehalten werden.
«Wir haben ja unsere Wohnung, alles schön! Wir gehen wieder zurück.»/Es seien Leute mit dem Fahrrad gekommen./Der Stempel sei ein Andenken an eine unvergeßliche Nacht. / Marienfelde, stündlich Hunderte. / Fluchthelfer, es komme ihnen vor wie vor 100 Jahren.«Wie wahr», sagt der Kommentator. Ich verstand:«Vivat!»
Über die Mauer kletternde Menschen./Im Takt der Lieder, die gesungen werden, ein Mann mit Hammer und Meißel.
«Hier is allet so jroszügig, man is dett allet nich jewöhnt.»
So ein Tag, so wunderschön wie heute./Krim-Sekt und McDonald’s, die Ost-West-Koexistenz./S-Bahn./Wie Sylvester./Mal andere Luft schnappen./Trabis, wie auf Kinderkarrussell sehen sie aus./«Dett war astrein jewesen, wa?!»/«Zum Wochenende nochmal, mit die Kinder.»/«Erstmal gucken, erstmal gucken …»/«Alles neu für Sie?»-«Aber ganz schön neu!»/«Das ist mein Deutschland, und sonst nichts! Wa?»(So eine Art Frontkämpfer) /Die Wilms sagt:«Herzlich willkommen.»/«Es ist ein herrlicher Herbstmorgen geworden …»(Journalistenlyrik)
Zarrentin.
Eine Torte hat ein Polizist geschenkt bekommen, hat dem DDR-Mann 10 Mark gegeben dafür, daß er mal einen bundesdeutschen Kaffee trinken kann. Nun ist wieder alles abgesperrt.
Ein doller Schritt sei das, sagt ein DDR-Philosoph, das Wort«Wahnsinn»sei am häufigsten gefallen./Viele Schulkinder./Ein winziger DDR -Polizist und ein großer Westpolyp. Tragisch! Könnte der Ostmensch nun nicht wenigstens gleich groß sein?/ Das Grab der Mutter kommt auch zur Sprache.
Turnhallen zum Verweilen …/«Der Mantel der Geschichte zieht an uns vorbei, den werden wir schnappen und nicht fahren lassen. »(Wilms)/Die Luft sei geschwängert vom Trabi-Treibstoff, aber eine Westberlinerin hat gesagt, man fange an, den Geruch liebzugewinnen. Die Autos würden mit Sekt getauft, so könne man sagen./Elektronische Einheiten./Templin durfte nicht über Transit. Das sei ein Skandal./ Ein Mecklenburger:«Für mich ist das ein Gack (Gag).»
Berlin: Schöneberger Rathaus.
Kohl schüttelt den Kopf, weil Momper zu lange redet./Brandt verschwindet hinter dem Mikrophon. Das Gesicht kann man gar nicht sehen. Keine große Rede!/BR DDR-Fahne im Vordergrund.
Brandt erzählt Stories aus seinem Leben./Die Pfiffe für Kohl kapiere ich nicht./Genscher: große Rede!/Kohl in einer Weise ausgebuht, die mir völlig unverständlich ist. Brandt und Momper versuchen zu beschwichtigen. Kohl auswendig und sehr beherrscht. Mit diesem Chaotenaufruhr kann man den Menschen in der DDR die Demokratie nicht schmackhaft machen. Wer hat diese Saat gesät! Wir wissen es. - Und dann die Nationalhymne! Im Schusterbaß, es war schrecklich. Nicht zu verstehen ist es, daß man die Redner nicht auf den Balkon des Rathauses gestellt hat, und wenn man schon weiß, daß die Nationalhymne gesungen werden soll, warum war keine Blaskapelle zur Stelle? Entwürdigend, beschämend, widerlich.
«Dett iss janz Schau!»
Ich gucke immer noch ins TV, 20.15 Uhr, mich rührt es, und mich stößt es ab, man ist so zerrissen! Die Fremdheit in so manchem! In 3 sat sehr qualifiziertes Gespräch. Die Wieczorek-Zeul als westlicher Wendehals. Sie meint, daß hier bei uns nicht untersucht werden soll, wer früher Recht oder Unrecht hatte. Eben!
Sie hat nämlich Unrecht gehabt. - Genug davon. Es fiel auf, wie schlecht, hilflos und unprofessionell die Journalisten fragen, und wie schlecht sie zuhören. - Der Ostreporter meinte, die Ostbürger kämen hocherhobenen Kopfes, aufrecht wieder zurück in ihre Republik. - Man stelle sich das vor.
Es ist wahnsinnig und«typisch deutsch». Die Ausgelassenheit an der Mauer, befreiend, unerwartet, und dann das Talk-Show-Gerede über das Phänomen. So was Verqueres kann sich kein Mensch vorstellen! - Die Vollmer will hier einen Ostgeld-Fonds
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