Alkor - Tagebuch 1989
Regierung drüben könne nicht mehr zurück. Seit 28 Jahren …/Jeder könne hin- und hergehen, wie er will.
Schnell wieder nach oben gelaufen und Hildegard geweckt, Simone war nicht wach zu kriegen. Tiefschlaf.
Zum Biertrinken rüber, nicht mal Ausweis./Das sei irgendwie ein bewegender Eindruck. Das sei der Augenblick, auf den wir alle gewartet haben./Keine Aggressionen habe es gegeben.
Volksfest./«Die Stimmung geht unendlich weiter.»/Feier der Wiedervereinigung sei das./Die DDR-Führung habe den Überblick verloren./150 000 in den letzten Tagen geflüchtet.
Erneute Fluchtbewegung. Viele, weil sie so lange betrogen wurden. /Diepgen: Das wird eine volle Stadt./«Ärmel hochkrempeln. »/Einwandfrei sei das, sagt ein Jüngling./«Das waren bemerkenswerte Bilder, nicht wahr!»(Schaettle)
Invalidenstraße./Unsere Kinder schlafen zu Hause. Wir wollten nur mal das Brandenburger Tor von der anderen Seite sehen./ Raketen, Feuerwerk, von hinten kommen sie gelaufen./Roland Jahn, daß viele Menschen ihr Leben lassen mußten.
2 Uhr, Radio
Trabis stauen sich kilometerweit. / 9. November 1989: Das sei der Tag der Öffnung./«Ich habe meine Eltern wiedergesehen, die wohnten bloß zehn Meter von hier.»(Weinen im Hintergrund)/«Wir sind von hier, wir freuen uns nur so.»/Leute, die’s nicht wahrhaben wollten./«Wie kommen wir zum Ku’damm?»Alle wollen aus irgendwelchen Gründen unbedingt zum Ku’damm. Zwängen sich durch! Quetschungen./Deutsche Grenzbeamte werden umarmt./Zwei Vopos und deutsche Grenzbeamte und zwei englische Soldaten./«Was hier droht, ist ein Verkehrschaos, das ist aber auch alles.»/Hier gibt es keine Grenze mehr heute abend./Wir sind in Deutschland, irgendwie geht die Sache ordentlich zu./«Ich komm’ aus dem Bett, im Westen.»/«Ziel ist klar, zum Ku’damm geht’s!»/Axel Berghausen vom SFB im Osten,«mit dem drahtlosen Mikrophon.»
2.21 Uhr
Leipzig. Alles dunkel.«Die Meldung hat die Stadt noch nicht erreicht.»/ Beim Abendbrot im sogenannten Westfernsehen noch unqualifizierte Meinungen über Wiedervereinigung ertragen, und nun dies!/Erstaunlich das Aufgespringe im Bundestag und das spontane Absingen der Nationalhymne. Und alles hat an den Greisen da drüben gelegen!/Unglaublich. Die Definition des Humanen wird unscharf. Im Altertum hätte man diese Leute sofort umgebracht. - Nachdenklich macht es, daß drüben niemand zu Schaden gekommen ist. Eigentlich unnatürlich.
Gedanken über das Reifen politischer, geschichtlicher Ereignisse. Sobald es geht, fahre ich rüber. Möglichst schon morgen.
2.30 Uhr
Bericht aus Lübeck. Viele Leute in der Stadt, die alle wieder rüberwollen. In Hagenow war eine Demonstration gewesen, und da haben die das gehört und sind einfach zur Grenze gefahren.
«Daß das so schnell geht, haben wir nicht gedacht.»/Jubelschreie
im Hintergrund./Dynamik, mit der niemand gerechnet hat. Zuerst Ausweis, dann brauchte man auch den nicht mehr vorzuzeigen. /«An der Grenze beidseits wird gefeiert.»
Auch die Alliierten sind dabei./«Kaum mehr zu glauben.»
1999: Eine Rundfunkredakteurin:«Ich war kurz vorm Abitur, und ich hatte am nächsten Tag eine Vorklausur. Ich bin also früh ins Bett gegangen, das erste Mal in meinem Leben. Und das verzeihe ich meinen Eltern heute noch nicht! Daß sie mich schlafen ließen. Am nächsten Morgen haben sie mir erzählt, was sie alles erlebt haben. Daß ich die Weltgeschichte verschlafen habe, wo ich doch Geschichte studieren wollte.»
Nartum
Fr 10. November 1989
Bild: Bundestag sang Deutschlandlied / Geschafft! Die Mauer ist offen
ND: 4. Parteikonferenz der SED für den 15. bis 17. Dezember 1989 in Berlin einberufen
Wieso hat niemand den Choral«Nun danket alle Gott!»angestimmt? - Weil niemand mehr den Text kennt. - Aber woher kennen sie den Schlager«So ein Tag …»?
8.30 Uhr
Die Bohley hat unglaublichen Quatsch geredet. Sie wünscht den westdeutschen Politikern Schweißtropfen./Daß wir den Glauben nie verloren haben, und daß die DDR-Bürger den Glauben an sich selbst gefunden haben./Schutzräume, Hilfskrankenhäuser, Kasernen./Eine Million wird kommen, sagt man./Die Bohley meint, es werde der Ausnahmezustand erklärt werden, mit Militär usw./Die Mitarbeiter seien«hochmotiviert». (Niedersachsen-Innenminister) /«Ich glaube, ich spinne.»/«Ich hab’ dafür
anderthalb Jahre im Knast gesessen!»/«Hauptsache, man kann mal kucken!»/100 Mark Ost für 9 Mark West gab’s an der Post./«Vielleicht ist
Weitere Kostenlose Bücher