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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Bachmann-Serenade.
    Es ist interessant, von wem alles keine Filmaufnahmen existieren: Heinrich Mann . Ob der niemals gefilmt wurde? In Amerika? Es ist mir unbegreiflich, daß er in so hohem Ansehen steht. Seine Bücher sind doch nicht so wahnsinnig gut? Und politisch war er auch nicht der Hellste.
    Dorfroman: Der Hund kann es nicht leiden, wenn die Katzen schnurren. Dann ruft er sie zur Ordnung, fährt auf sie los.
    Der Hahn trat heute schon mal vor die Tür. Drei, vier Schritt. Kehrte aber schnell wieder um, es war ihm doch zu kalt. - Vom Trinken hatte er ein nasses Lätzchen. - Nachts kräht er öfter mal. Gott sei Dank ist das kein kapitolinischer Hahn, sonst müßten wir dauernd mit Einbrechern rechnen.
    Kalt und naß. Dreiviertel Stunde Spaziergang: huschende Kaninchen.
    Sich im Präapokalyptikum befinden.
     
    Heute sollten die Katholiken des heiligen Blasius gedenken.
    Durch seine Standhaftigkeit im Glauben erbittert, ließ der Statthalter ihm mit eisernen Wollkämmen die Haut zerfetzen!
     
    «Vergiß nicht ganz die St. Blasiustage …»- dieser zauberhafte Zettel, den ich in einem Buch fand …
    Im Weltall gibt es Galaxien-Haufen.
    Machen wir uns nichts vor.

Nartum
Sa 4. Februar 1989
    Bild: Momper-AL / Verlobung verschoben / Claudia Leistners Trainer tot / Krebs mit 38
    ND: Erich Honecker empfing Jan Fojtik zum Gespräch / Freundschaftliche Begegnung mit ČSSR-Politiker
     
    Am Morgen beseitigte ich höchstselbst Katzenscheiße unter dem Flügel, um mich gegen Ekel abzuhärten.
    Ich war seit Tagen nicht mehr draußen. Heute war ich in Gyhum zur Massage. Lästig. Es gibt dort eine Wandelhalle mit Läden und einem Café.
    Hildegard:«… und laute Musik.»
    Die sogenannte Massage wurde durch ein gleichgültiges Mädchen flüchtig vorgenommen. Ganz hübsch sieht sie aus, aber sie hat keine magnetischen Finger. - Ein dienstleistendes Mädchen mit magnetischen Fingern habe ich nur ein einziges Mal erlebt, und zwar in Dortmund im Hotel zum Römischen Kaiser, die Friseuse. Die praktizierte das Kopfmassieren mit Inbrunst. Sie sagte, man darf während der Massage niemals die Hand vom Kopf nehmen zwischendurch.
    Ich denke an die Schilderung des algerischen Bades von Flaubert!
    Das«Echolot»ist mein Garten,«hortus», auch«Schatz», da wachsen sie heran und zusammen, die Stimmen.
    Ich saß den ganzen Tag am Computer und gab Texte ein. Regen prasselte aufs Dach. Der Computer wirkt auf mich wie eine Sparbüchse, jeder Text, den ich eingegeben habe, vergrößert sein Volumen qualitativ. Noch«gehören»sie mir nicht. Man muß die Verfasser noch um Erlaubnis bitten, und das tue ich erstmal nicht, weil ich Angst habe, daß sie sich verweigern.
    Am Abend saß ich dann noch im Fotozimmer und machte Ordnung.
    Das sind meine lieben Toten.
    Weil ich als ein Konservativer gelte, wird man mich ausspeien, und mein Andenken wird man zertreten: Deshalb wird es gut
sein, wenn ich möglichst viel Archivmaterial hinterlasse. Da können sie dann nicht umhin.
    Schade, daß der Computer nicht sprechen kann. Wenn ich ihn anstelle, die grüne Schrift, dann denke ich: Jetzt müßten sie anfangen zu wispern, die lieben Toten. - Eine Zeitröhre, ein Zeit-Hörrohr, wie der Horchapparat des Arztes.
     
    2001: Inzwischen habe ich ein Vorleseprogramm installiert.
     
    Der heiligen Veronika ist heute zu gedenken: Dem zusammenbrechenden Heiland reichte sie ihr Schweißtuch, auf dem der Abdruck seines Antlitzes erhalten blieb.
    Heute macht sich das Volk unter dem Namen Veronika ein ganz unheiliges Bild. Vergleiche auch die Comedian Harmonists:
    Veronika, der Lenz ist da, die Mädchen singen trallala …
    So etwas ist zu beanstanden.

Nartum
So 5. Februar 1989
    Welt am Sonntag: FDP bei Asylrecht gegen CSU
    Sonntag: Welt und Halbwelt.«Der Bruch»von Frank Beyer und Wolfgang Kohlhaase. Von Regine Sylvester
     
    Müde aufgewacht.
    Zu Hitler: Daß auf dem Berghof einer war, der Ley nachmachen konnte und es auch tat, worüber alle (auch H.) lachten.
    Daß Kontrabassisten immerfort aufgezogen werden wegen ihres Instruments.
    «Baut man Ihnen die Aussicht vielleicht mal zu?»Das sagt so mancher unserer Besucher, wenn sie zum Tee bei uns sitzen. Die wünschen uns eine Müllverbrennungsanlage an den Hals. Da sage ich dann:«Nein, das hier gehört alles uns.»Bums.

    Beliebt ist es auch zu sagen:«Kost’ aber viel Heizung?»- Das sind die Geizigen.
    Man überlebt sie alle, bis man sich selbst überlebt.
    Weiter in der Jahnn-Biographie. Die angelsächsische

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