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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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ihre Habseligkeiten verkauften, wie nach einem Brand. Nichts, was man hätte kaufen wollen. Ich dachte daran, KF mit unserem Schurrmurr da mal hinziehen zu lassen.
    Gebratenes Kartoffelmus. Götterspeise.

    Am Nachmittag und Abend Kugelbahn gebaut und dabei herrlich beruhigt. Therapeutische Wirkung.
    Ich hörte mir noch einmal die Brahms-Symphonie an. Erinnerungen an London, auch schon ewig her. Freundliche Goethe-Menschen, die mich ins Konzert begleiteten, und nicht einmal bedankt habe ich mich dafür. Im Foyer war jungen Musikern während der Pause gestattet, Klavier zu spielen, Chopin beispielsweise, Musikstudenten, die sich an Publikum gewöhnen sollten. Das müßten sie in Deutschland auch einführen. Aber was müßten sie in England nicht noch alles einführen, wenn’s danach geht. - Schade, daß sich noch niemand gefunden hat, die mißtönende Klavierbegleitung der Brahms’schen Chorwerke zu orchestrieren. Man könnte sie dadurch für den sogenannten Konzertbetrieb«retten». - Auch mit den Männerchören irgendwas anstellen.

Nartum
Mo 6. März 1989
    Bild: SPD und AL: Streit um 18 Punkte
    ND: Wir tun alles für sicheren Frieden und die Stärkung des Sozialismus /Bewegende Manifestationen von Frauen und Mädchen zum 8. März
     
    Mittagsschlaf. Sonne durch die Jalousien: wie ein besseres Leben, wie ein letzter Gruß. Das Leben zieht sich hin, 60 Jahre! Der Wippbalken, erst runter, nun rauf, aber das kann umschlagen. Wer oder was hält mich oben?
    Ein Fotograf kam gegen Mittag.
    «Ich fotografiere natürlich ohne Blitz.»
    Andere benutzen silberne Regenschirme und fotografieren natürlich mit Blitz, wie sie dann sagen. Wieder andere machen Versuchsbilder vorher auf Polaroid, damit es auch was wird. Die klaube ich hinterher aus dem Papierkorb. - Fotograf Peyer vor zehn Jahren kam mit Geigenkasten, das war sein Markenzeichen. Bauer machte 3500 Fotos auf drei Kameras: alle sonderbar. Er
schenkte mir etwa 50 Fotos, sie liegen alle noch im Kasten, wurden nie verwendet, weil er irgendeine Art Froschlinse verwendete, meine Beine ganz kurz, Kopf riesengroß. Die Fotos nahm natürlich kein Mensch.
    Fotografengeschichten.
    Ruetz war jähzornig, trat unsern Hund.
    Mißglückte Fotos von anderen Autoren für meine Sammlung haben sie nicht. Die kriegt man nicht für Geld und gute Worte. Wenn sie gehen, überwinde ich mich und sage:«Vielleicht schikken Sie mir ein paar Fotos, der Verlag braucht immer welche zu Werbezwecken.»Das ist eine ziemlich fade Schnurrerei. Aber schließlich hat man ja auch zwei Stunden stillgehalten. - Mit Fotografen kann man sich nicht unterhalten. Am widerlichsten ist es, wenn sie diskret sind. - Ich frage sie manchmal nach Prominenten aus, aber da kommt selten was. Ob man ihnen was angeboten hat …«Ne, wüßt ich eigentlich nicht.»Daß Uschi Glas schwierig zu fotografieren ist, war mal zu hören.
    Der Kerl in Hamburg, in dem Bunker, mit seinem Riesendings, ein Meter im Quadrat, und dann blitzte er, und ich dachte, ich verliere das Augenlicht.
    Hildegard wundert sich, wer aus ihrer Verwandtschaft noch nie etwas von mir gelesen hat. Eigentlich alle.
    Ich schlug ihr vor, wegen der Knochenschwäche, wenn sie 80 ist, im Wohnzimmer, also unten, zu schlafen und dann tagsüber im Pavillon Kunstbücher anzusehen. Klo ist ebenerdig in der Nähe …
    «Da schlurf ich dann hin …»
    Wieso überkam mich Liebe in diesem Augenblick? Ein starkes Gefühl.
    Eine halbe Stunde in der Sonne spazieren. Von fern höre ich Hildegard den Hund ausschimpfen:«Das ist ja unerhört! Was bildest du dir ein? Unglaublich!»
    Es gibt doch so eine Walfischgesangs-Platte? Die werde ich mir mal anschaffen. - Eine Laune der Natur zu sein … Das Schnabeltier oder diese besonderen Vögel, Pfefferfresser oder wie sie heißen, mit dem doppelstöckigen Schnabel.

    Dorfroman: Meine Kätzchen sind keine Laune der Natur, sie haben Launen. Ich bin dauernd auf der Wacht, was sie nun wieder wollen.
    Rettich, geriebenen, diese Gottesgabe.
    Einschlafen: Buch zuschlagen. Wenn ich’s aufschlage am anderen Morgen, finde ich es verändert.

Nartum
Di 7. März 1989
    Bild: Rushdie-Affäre! Jetzt:«Tötet die Queen»/Ein Wetter zum Verlieben
    ND: Auftakt für Gespräch zur konventionellen Abrüstung / Außenministertreffen der KSZE-Staaten in Wien eröffnet
     
    Der Swing-Big-Band-Mann aus Vegesack hat auf meinen Brief nett geantwortet und mir den Text von«Sentimental Journey»von seiner Tochter abhören und abschreiben lassen:
    Gonna take a

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