Alkor - Tagebuch 1989
den«Kurdistan-Report»zu lesen. Zu ihren«persönlichen Gegenständen», zählt Nordrhein-Westfalens sozialdemokratischer Justizminister Rolf Krumsiek auf, gehöre ständig frischer Blumenschmuck.
Ausreichend Natur umgibt die inhaftierte RAF-Terroristin nach dem Dafürhalten des Ministers auch beim Spaziergang. Denn der Freistundenhof in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf, betont Krumsiek,«besteht aus einer teilweise plattierten Grünfläche», bepflanzt mit Bäumen und Sträuchern.
Die Außenkontakte der Inhaftierten gehen, jedenfalls laut Krumsiek,«über das übliche Maß hinaus»: Zuletzt hat Christa Eckes binnen 13 Monaten 917 Briefe abgesandt und 967mal Post bekommen. Ihre Verteidiger besuchten sie im selben Zeitraum 47mal, zwischen zwei und vier Stunden lang. Verwandte und Bekannte waren 34mal bei ihr, durchschnittlich für eine Stunde.
Die Terroristin kann täglich baden oder duschen. Und komfortabler ausgestattet als bei manchem Zuhause ist im Kölner Frauengefängnis die gemeinsame Teeküche: zwei Elektroherde, Kühlschrank mit Gefrierfach, Eßgeschirr und eine Eckbank. Dort kann sich Christa Eckes, wenn sie will, morgens, mittags, abends und auch zwischendurch was kochen.
Doch die Gefangene, die eine acht Jahre lange Freiheitsstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verbüßt, rührt seit dem 1. Februar keine Nahrung mehr an. Christa Eckes, die inzwischen ins Vollzugskrankenhaus Fröndenberg verlegt wurde, fehlt, was sie für lebensnotwendig hält: das Beisammensein mit gleichgesinnten Strafgefangenen.
Wenn ich bedenke, unter was für Bedingungen wir durch ihre sozialistischen Brüder gefangengehalten wurden!
«In Pohls Haftraum stehen jeweils 30 Bücher!»
Unvergessen sind die Äußerungen Sartres.
Diese Apo-Aufgeregtheiten waren ein Fall von kollektivem Irresein, durchaus zu vergleichen mit Hysterien von 1937. Und es schleppt sich noch immer hin! Diese Leute sitzen jetzt überall, in allen Redaktionen und Verwaltungen.
In Polen gibts was Neues: die«Solidarität»wurde von den
Kommunisten als Opposition akzeptiert. - Sowjetunion unterstützt Kuba noch immer mit 5 Millionen Dollar pro Tag . Beim Essen ein Gast am Nachbartisch zum Kellner:«Bitte keine Kerze anzünden, das tut mir in den Augen weh.»
Göttingen
Sa 15. April 1989
Bild: RAF-Hungerstreik / Die ersten geben auf
ND: Über 46 000 Kandidaten zur Kommunalwahl unter 25 Jahre
Wir fuhren nach Göttingen, um Hildegards Geburtstag zu feiern, Nörten-Hardenberg, die schöne Lage und das wunderbare Essen und das Bewußtsein der Exklusivität.
Vespers und Limmroths in der Jungfernschenke bewirtet, ich fühlte mich in diesem Kreis«sauwohl», wie man so sagt. Zu Hause zu sein, das ist es. Im Laufe des Abends kriegte ich plötzlich mit, daß Limmroth meine Bücher gar nicht gelesen hat, obwohl wir doch Freunde sind seit Jahrzehnten. Das gab mir einen Stich. Auch bei Guntram weiß ich nicht so genau …
Renate kam aus Kassel. Sie nahm ihren Vater ein wenig auf den Arm, was dieser sich schnurrend gefallen ließ.
363 DM ausgegeben für das Essen! Dazu 145 DM Übernachtung in Gebhards Hotel und 95 DM für Renate.
Es ist eigenartig: Wenn wir mit irgendwelchen Leuten essen gehen, dann muß immer ich bezahlen. Soweit ich mich erinnern kann, bin ich noch niemals eingeladen worden. Nur die Leute vom Verlag müssen bluten, das ist klar. - Es müßte eine Mischung der Wörter traurig und fröhlich geben - so ist mir zumute.
Dreißig Jahre sind wir nun schon zusammen. Ich höre ihr gern zu, wenn sie erzählt, und ihr Urteil ist«unbestechlich». Grade, daß sie mir die Meinung sagt, macht sie für mich interessant. Und ich liebe sie, und das schließt das Altern ein. Mit jeder Falte, die wir gemeinsam«angesetzt»haben, wird dies umfangende Gefühl größer und dankbarer.
Göttingen / Nartum
So 16. April 1989
Welt am Sonntag: Bonn will den Wehrdienst wieder verkürzen/ Klausurtagung des CDU-Vorstands zu Bundeswehr, Quellensteuer, Umwelt, Parteireform
Sonntag: Wir kennen uns kaum. Internationales Lyrikertreffen. Von Gerd Adloff
T: Immer wieder träume ich, daß ich die Schule schwänze. Heute war das mit Ostzonenerinnerungen gemixt.
Am Morgen Frühstück bei Vespers. Wir saßen in der gemütlichen Veranda mit Spielzeugeisenbahn auf dem Fensterbrett. Sie hatten noch eine Musik-Dame von nebenan dazugebeten, die unser familiäres Beisammensein dadurch störte, daß sie keine Ahnung davon hatte, wer ich
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