All die alten Kameraden: Kriminalroman aus der Eifel (Opa Berthold) (German Edition)
Zimmer war oder nicht.
Gustav hörte das Klopfen gerade in einem Augenblick, als er überlegte, ob er sich vor dem Mittagessen noch einen Kaffee zubereiten sollte. Er ging zur Tür und öffnete. Als er Beckers Gesicht sah, war ihm sofort klar, dass dieser Besuch ein unangenehmer war. Dennoch überraschte ihn die Heftigkeit und Schnelligkeit des Alten, als dieser die Tür mit einem kräftigen Fußtritt ganz aufstieß. Gustavs Hand, mit der er die Tür festgehalten hatte, wurde heftig gegen die Wand geschleudert. Dann schob Becker den überraschten Gustav ins Zimmer und schloss die Tür.
»Maul halten und zuhören jetzt!«, zischte er.
Gustav betrachtete die Mündung der Armeepistole, die der Eindringling ihm entgegenhielt, und antwortete trotz der eindringlichen Aufforderung: »Du willst mich doch hier nicht etwa niederschießen, oder?«
»Das ist mir so scheißegal, das glaubst du gar nicht!«, stieß Becker so heftig und hasserfüllt hervor, dass Gustav bereit war, ihm auf der Stelle Glauben zu schenken.
»Gut, ich höre zu«, sagte er ruhig.
»Wir beide machen jetzt einen Spaziergang«, fuhr Becker fort. »Damit wir uns ungestört unterhalten können.«
Gustav sah den Mann konzentriert an und überlegte, wie er ihm zu begegnen hatte. »Ungestörter als hier in meinem Zimmer?«
»Quatsch nicht, wir gehen!«
Gustav zuckte die Schultern und trat auf den Gang hinaus. Sofort spürte er die Pistole in seinem Rücken.
»Mach keinen Blödsinn, ich schieße dich nieder, wenn es sein muss vor aller Augen!«, zischte es hinter ihm.
Gustav beschloss, die Ernsthaftigkeit dieser Drohung nicht auf die Probe zu stellen, und ging den Flur entlang. Becker folgte dicht hinter ihm, die Pistole in der Jacke versteckt. Er führte Gustav über einen Nebenausgang aus dem Gebäude heraus, über die Straße hinweg auf einen Spazierweg, der direkt hinter der Seniorenresidenz in den Wald führte. Sie ließen die Geräusche der Ortschaft langsam hinter sich. Bald hörte man nur noch das Rauschen der Blätter im Wind und das entfernte Brummen von Autos auf der Serpentine, die von Nideggen nach Brück hinunterführte. Auf diese Straße bewegten sie sich zu.
Gustav folgte bedächtig dem schmalen Pfad, der sich stetig bergab durch das dichte Grün schlängelte. Er war sich bewusst, dass sie sich immer weiter von Nideggen entfernten und sie zu dieser Tageszeit, zumal an einem Wochentag, in diesem Wald kaum andere Menschen treffen würden. Sollte Becker wirklich vorhaben, seine Waffe zu benutzen, so stieg die Gefahr hierfür mit jedem Schritt. Irgendwann hatte Gustav sich dazu durchgerungen, die Initiative zu übernehmen. Er blieb stehen.
»So, mein Lieber«, sagte er so ruhig wie möglich. »Hier geht es nirgendwo hin. Wenn du reden willst, rede. Wenn du schießen willst, schieß.«
Manfred Becker war einen Moment verdutzt, dann entgegnete er: »Wenn du es so willst – also hier.« Er baute sich breitbeinig vor Gustav auf und sah ihn grimmig an. »Jetzt will ich alles wissen. Was hattest du auf dem Burgberg zu suchen in jener Nacht? Ich habe dich nicht gleich erkannt, aber du warst es, das weiß ich.«
Gustav dachte angestrengt nach. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, was Becker nun genau vorhatte.
»Ich habe eine Nachtwanderung gemacht. Das macht einen Heidenspaß, besonders bei Gewitter.«
»Verarsche mich nicht«, fauchte Becker.
Gustav dachte weiter nach. Was sollte er sagen? Seine Konzentration wurde durch einen Druck an den Schläfen gestört, der sich schnell verstärkte und zu einem heftigen Kopfschmerz anschwoll. Gustav legte die Hände an den Kopf. Manfred Becker machte einen Schritt auf ihn zu und sagte etwas. Gustav konnte es nicht verstehen, so als flüstere der andere durch einen dichten Nebel. Dann sah Gustav tatsächlich einen Nebel, der von einem grellen, die Augen blendenden Licht durchgleißt wurde und immer dichter wurde. Plötzlich verschwand der Nebel, und Gustav wähnte sich in einem hellen, weißen und absolut leeren Raum. Er konnte nur raten, dass es ein Raum war, denn er sah keine Wände und auch keine Decke, aber auch nichts anderes, keinen Himmel, keine Bäume und keine Gegenstände. Da war nur dieser endlose weiße Raum. Und Gustav wusste auf eine beklemmende, unerschütterliche Weise, dass er in diesem Raum völlig allein war.
»Scheiße«, murmelte er leise.
Manfred Becker sah in das Gesicht seiner Geisel, das einen seltsam leeren Ausdruck angenommen hatte. Er fuhr Gustav an: »Mach keinen
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