All die alten Kameraden: Kriminalroman aus der Eifel (Opa Berthold) (German Edition)
Aussichtsturm mit seiner Wendeltreppe überragte knapp die hohen Bäume, die den alten Burgberg säumten. Einige befanden sich auf dem Turm, andere standen auf einem kleinen Plateau, von welchem aus man über das Rurtal auf die Burg Nideggen schauen konnte. Gustav flüsterte Lorenz zu: »Schau mal, die stehen direkt auf dem Dach des ehemaligen Artillerie-Gefechtsstands.«
Lorenz nickte und flüsterte zurück: »Und dabei ist Larissa Schwarz, die Tochter vom Müller Schorsch. Sieh mal, daneben steht Elfi Schröder.«
Gustav winkte Elfi kurz zu, die gerade mit Larissa in ein intensives Gespräch vertieft schien.
»Seltsam, nicht wahr? Sie kommt in die Heimat ihres Vaters, er stirbt hier, und dessen einzige lebende Verwandte scheint sie erst nach seinem Tod zu interessieren. Hat Elfi nicht gesagt, Larissa wäre garstig zu ihr gewesen?«
»Stimmt. Der Tod verändert vielleicht so manches. Die würde aber wahrscheinlich sofort zurück nach Amerika fliegen, wenn die Polizei die Leiche freigeben würde«, meinte Lorenz.
Bärbel stieß Gustav an. »Schau mal, kennst du den da vorn?«
Sie wies unauffällig in die Richtung, in der ein Mann, offensichtlich ein amerikanischer Veteran, in ihre Richtung schaute. Gustav antwortete: »Ich weiß nicht, könnte sein. Irgendwie kommt er mir bekannt vor.«
Der Amerikaner, der Gustav beobachtete, hatte gerade ebenfalls darüber nachgedacht, ob er dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte. Dann verwarf Harry Seguso diesen Gedanken jedoch sofort wieder. Sein Blick schweifte weiter und blieb an einem anderen Mann hängen, dessen Konterfei er sehr wohl kannte. Er wusste zwar nicht, dass dieser Kerl, den er so sehr hasste wie nichts anderes auf der Welt, Manfred Becker hieß, jedoch hatten sich dessen Gesichtszüge so tief in Segusos Hirn eingebrannt, dass er ihn immer und überall wiedererkannt hätte, so wie bei der kurzen Begegnung auf dem Soldatenfriedhof neulich. Ihr allererstes Zusammentreffen war schon über sechzig Jahre her. Damals hatte er den Mann nur wenige Sekunden gesehen, doch diese Sekunden gehörten zu den schlimmsten seines Lebens. Harry Segusos Atem ging unwillkürlich schneller, und sein ganzer Körper verkrampfte sich. Seine Frau drückte fest seine Hand und wollte etwas sagen, doch er sah sie nur kurz an und schüttelte den Kopf. Seguso zwang sich, Manfred Becker erneut anzusehen. Der bemerkte den Blick und schaute zurück. Ganz offensichtlich konnte er mit Segusos Gesicht nichts anfangen. Harry Seguso wurde übel. Der Mann, der ihn so oft in seinen Träumen verfolgt hatte, erkannte ihn nicht. Vermutlich hatte er die Begebenheit längst vergessen, nur eine von vielen Grausamkeiten des Krieges. Harry jedoch konnte das Gesicht seines Freundes nicht vergessen, als dieser Deutsche kaltblütig abdrückte und Nicks Gehirn auf der Straße vor der zerschossenen Kirche eines gottverlassenen Ortes namens Vossenack verteilte.
Und noch jemand starrte Manfred Becker voller Hass an. Es war Larissa Schwartz, die die Kenntnisse ihrer Verwandten Elfi Schröder genutzt hatte, um dem Namen, den sie vom alten Busch erfahren hatte, ein Gesicht zu geben. Sie versuchte, Becker nicht spüren zu lassen, dass sie ihn beobachtete, für jeden aufmerksamen Beobachter waren ihre Gefühle jedoch unübersehbar.
Auch Gustav blieb Larissas Interesse an Becker nicht verborgen. Er fragte sich, was Becker wohl vorhaben mochte, nachdem er ihm zuletzt unverhohlen, aber doch eher unkonkret gedroht hatte. Und was hatte die Tochter des letzten Mordopfers mit Becker zu tun? Hatte ihr Vater etwas gewusst, was er vor seinem Tod an sie weitergegeben hatte?
Bärbel riss ihn aus seinen Gedanken. »Gibt es hier keinen offiziellen Teil? Eine Rede oder so etwas?«
»Sieht nicht so aus«, meinte Lorenz. »Die stehen hier nur so rum und tauschen Erinnerungen aus.«
»Dann lasst uns wenigstens den Ausblick genießen«, schlug Bärbel vor. »Wer geht mit mir auf den Turm?«
Sie gingen alle drei. Es war einiger Betrieb auf der engen Wendeltreppe. Jeder Besucher wollte einmal die Sicht rund um den Hügel genießen. Als sie oben waren, staunte Bärbel: »Jungs, seht euch das an – man kann hinten das Siebengebirge sehen! Und wenn mich nicht alles täuscht, ist das links davon Köln?«
Die Luft war sehr klar an diesem Tag, und so konnte man tatsächlich bis in die Rheinebene schauen.
»Seht ihr«, meinte Lorenz. »Deshalb waren die Amis scharf auf diesen Hügel. Dieser Punkt beherrschte diesen Frontabschnitt und
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