All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
dieser Alice zu entledigen. Was er auch tat. Jedoch nicht ohne Schwierigkeiten. Seine beste Ausrede war, dass er und Alice sich ja wohl kaum näherkommen könnten, solange Polly dabei war. Woraufhin Alice ihre Überraschung darüber kundtat, dass die Sache nicht vorher besser von ihm geplant worden war, und meinte, sie könnten ja immer noch… Nein, nein, das könnten sie nicht, sagte Melrose und schob Alice das Geld für das abendliche Stelldichein zu. Dabei hatte er das Gefühl, noch einmal gut weggekommen zu sein – ja, er hatte in der Tat das Gefühl, diese Informationen ließen sich sogar mit der doppelten Summe nicht bezahlen.
Also zahlte er ihr die doppelte Summe.
»Polly, Sie waren grandios.«
»Das ist ja mein Fluch.«
Sie saßen beim Brandy im Klubraum. Polly musste den letzten Zug zurück nach Littlebourne noch erreichen.
»Sie haben jetzt etwa alle dreißig Sekunden auf Ihre Uhr geschaut, also nehme ich an, Sie wollen sich bei Superintendent Jury melden.«
Sie standen auf. In dem Moment fiel Melrose ein, dass er Pollys Buch vorhin zwischen Sitzkissen und Sessellehne gestopft hatte, und er zog es hervor. Natürlich hatte er noch nicht genug darin gelesen, um etwas halbwegs Intelligentes darüber sagen zu können. Er streckte es ihr hin. »Würden Sie es mir signieren?«
Polly schaute erst das Buch und dann ihn an. »Wenn Sie es gelesen haben.« Und ging hinaus.
47. KAPITEL
Jury legte den Hörer auf und starrte Wiggins versonnen an, ohne ihn richtig zu sehen. Ihm gingen, als Reaktion auf Melrose Plants Anruf, nur lauter Bilder im Kopf herum.
»Was?« Wiggins war unleidlich, weil er nicht wusste, was mit dem Stecker am Kabel des elektrischen Wasserkochers los war. »Was?«, fragte er wieder.
Jury fuhr leicht zusammen. Wiggins hatte er, ebenso wie die Sache mit dem Elektrokocher, völlig ausgeblendet. »Tut mir leid. Das war gerade Plant am Apparat. Er sagte, die Frau, mit der er gestern Abend essen war, kennt Rose Moss, alias Adele Astaire.«
Wiggins hörte auf, mit dem Stecker herumzufummeln. »Was hat er herausbekommen?«
»Sie sind ehemalige Schulkameradinnen. Die Frau – mit der Melrose Plant zusammen war – ist eins von den Escort-Girls bei Smart Set.«
»Mr. Plant…«, schnaubte Wiggins ungläubig. »Kann ich mir nicht vorstellen … Mr. Plant – ehedem Lord Ardry – in Gesellschaft einer Schlampe.« Offenbar konnte er es sich aber doch vorstellen, denn er hatte plötzlich bessere Laune und kicherte vergnügt vor sich hin.
»Freuen Sie sich nicht zu früh, Wiggins. Das hat er gemacht, weil ich es ihm aufgetragen habe. Sie heißt Alice Dalyrimple.« Bei dem Namen musste Jury schmunzeln.
»Aber wenn sie bei Smart Set ist … da war Deidre Small doch auch.«
»Ja. Und DeeDee, wie sie Deidre nannte, machte sich über irgendwas
Sorgen, spielte sogar mit dem Gedanken, zur Polizei zu gehen.«
»Dann hat diese Alice also etwas damit zu tun?«
»Glaube ich nicht. Die hat man einfach von der Agentur geschickt.«
»Wenn sie also diese Moss kennt, dann kennt sie – oder kannte sie – vielleicht auch Stacy Storm … Mariah Cox?«
»Nein.«
»Na, dann … bringt uns das nicht viel weiter, Boss.« Endlich hatte er eine passende Steckdose gefunden. Wasser war bereits im Kessel.
»Doch. Das ist nämlich die Verbindung. Passen Sie auf: weil drei Frauen, für verschiedene Escort-Firmen tätig, ermordet werden, vermuten wir die Verbindung in der Arbeit selbst – alle drei gehen auf den Strich. Und die Zeitungen haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit die Leute das glauben. Die Verbindung zwischen den drei Opfern hat aber womöglich überhaupt nichts zu tun mit dem Escort-Service. Sondern es sind die Frauen selber. Zwei zumindest kennen einander. Die Vermutung lag natürlich nahe, dass sich die Frauen mit einem Psychopathen abgaben, der Strichmädchen hasste. Das glaubt die Öffentlichkeit immer noch.
Wir haben in der Vergangenheit der drei Opfer gestöbert und nichts gefunden. Das liegt vielleicht daran, dass wir nicht wussten, wonach wir suchen sollten. Ich will, dass Sie Myra Brewer einen Besuch abstatten. Sie kannte Kate Banks von klein auf. Ich wette, sie hat ganze Alben voller Fotos, vielleicht auch welche aus Kates Schulzeit. Ich will wissen, ob Kate eine von den anderen kannte.«
Er war aufgestanden und kämpfte sich umständlich in seine Mantelärmel. »Ich gehe dann Mittagessen mit Harry Johnson.«
»Wenn ich das jetzt mal so sagen darf, Chef, das scheint ja eine
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