All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
anlegen wollte. Sie hatte etwas ganz schön Beinhartes an sich, an dem Maureen, wenn sie es versuchte, sich die Zähne ausbeißen würde.
»Okay, okay«, sagte Maureen. Dann nickte sie Jury zu: »Kommen Sie.«
Jurys Miene hatte sich definitiv aufgehellt, als er sich bei Mrs. Bromley bedankte.
»Na, dann hoffe ich, Ihrem Hund geht es bald wieder besser«, sagte sie.
Dr. Kavitz besaß ein bedeutend sonnigeres Gemüt als Maureen. Er machte sich auch gleich an die Untersuchung, tastete hier, horchte dort, stupste ein bisschen und kniff bisweilen nachdenklich die Augen zusammen, als sähe er die Umrisse eines abstrakten Gemäldes vor sich oder lauschte einer allmählich verklingenden Musik. Das Ganze besaß eine gewisse kunstvolle Note.
Nach weiterem Tasten, Rätseln, einem Blick zur leeren Wand hinüber nickte Dr. Kavitz und richtete sich aus seiner über den Hund gebückten Haltung auf. »Er ist ganz in Ordnung. Allerdings furchtbar dehydriert …«
»Ich habe ihm Wasser gegeben, er hat gleich ganz viel getrunken.«
»Gut. Er muss aber noch intravenös was kriegen. Und was zu fressen.«
»Fressen wollte er nicht.« Jury zog das Hackfleisch aus der Tasche. »Vielleicht war das hier nicht das Richtige.«
Kavitz lächelte. »Kein Wunder, dass er das verschmäht hat, da wäre ihm wohl der Appetit vergangen.« Er kraulte den Hund am Hals. Der hatte inzwischen die Augen weit geöffnet. »Wir machen es so, dass wir ihn über Nacht dabehalten. Da wird er mit ausreichend Flüssigkeit versorgt und frisst was. Und dann schauen wir mal, wie es ihm geht. Sein Glück, dass Sie ihn gefunden haben. Morgen früh wäre er tot gewesen, fürchte ich.«
Dass es so knapp gewesen war, ließ Jury das Blut in den Adern stocken. »Er sah nicht aus, als würde er noch lange durchhalten.«
»Nein. Sie können sich ja mal überlegen, was Sie mit ihm machen. Es gibt natürlich das Tierhilfswerk oder die diversen Tierheime. Falls Sie ihn nicht selbst behalten können, wäre das vielleicht die Lösung.« Dr. Kavitz betrachtete den Hund. »Wissen Sie, ich habe da eine Interessentin für so einen. Ich kann ihr ja mal Bescheid sagen.«
Jury fragte nach: »Für so einen?«
»Das ist ein Appenzeller Sennenhund, das sind Berghunde, Hütehunde. Aber den hier – den Appenzeller – sieht man ganz selten.«
»Sie meinen, es ist ein Rassehund?«
»O ja. Wie gesagt, die Rasse sieht man nicht so oft.«
»Was macht so ein Hund in einem Ladeneingang? Ohne Erkennungsmarke und so?«
Dr. Kavitz zuckte die Achseln. »Ist vielleicht entlaufen. Und wie man sieht, hatte er ja mal eine Marke. Und ein Halsband.« Der Arzt deutete auf den Streifen am Hals, wo das Fell abgeschabt aussah. »Das muss er irgendwie verloren haben. Oder jemand hat es abgemacht. Kann sein, dass sein Besitzer das Halsband entfernt und ihn ausgesetzt hat.« Dr. Kavitz schüttelte bekümmert den Kopf. »So einen schönen Hund!«
Vorstellbar ist alles, dachte Jury. Er wusste, wozu Menschen
fähig waren. »Aber wahrscheinlich ist er entlaufen, wie Sie sagten. Ich sollte vielleicht eine Anzeige in die Zeitung setzen?«
»Gute Idee.«
Jury tätschelte den Hund. »Also dann. Morgen früh komme ich wieder und hole ihn ab.« Er dankte Dr. Kavitz, wandte sich zum Gehen. Hinter sich hörte er ein leises Wuff.
Dr. Kavitz lachte. »Appenzeller bellen wie der Teufel. Unser Freund hier bringt sich schon mal in Fahrt. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Doktor. Und danke.«
Jury trat aus dem Gebäude und blieb eine Weile auf der dunklen Straße stehen. Er fühlte sich schon etwas besser.
Es gab manchmal Zeiten, da musste man einfach etwas retten.
24. KAPITEL
»Ein Hund?«, sagte Carol-Anne und sagte es noch einmal. »Ein Hund?« Ihr Blick huschte im Zimmer umher, als würde gleich einer hervorspringen, um Jurys Ankündigung zu bestätigen. Als keiner kam, sagte sie: »Wir haben doch einen Hund.«
»›Wir‹ haben keinen.« Jury deutete an seine Decke und die Wohnung darüber. »Stone ist Stan Keelers Hund. Wir haben keinen Hund.«
Carol-Anne war gerade dabei, sich die Nägel mit einer gigantischen Multifunktionsfeile zu bearbeiten. Jury hatte angeregt, sie solle sie doch in einen Kuchen einbacken, falls er mal im Kittchen landete.
»Wir brauchen aber nicht noch einen Hund. Besonders keinen, der von weiß Gott woher angeschneit kommt.«
Jury trank gerade seine morgendliche Tasse Tee, bevor er sich zu Dr. Kavitz aufmachen wollte. Carol-Anne war Veränderungen abgeneigt, jeder Art von
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