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All the lonely people

All the lonely people

Titel: All the lonely people Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Wlodarek
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entziehen.
    Wir können uns hundertmal mit dem Kopf sagen: »Einsamkeit kann jedem passieren. Einsamkeit hat nichts mit meinem Wert zu tun.« Unser Herz hört nicht darauf. Es zieht sich zusammen und sagt: »Einsamkeit ist eine Schande.« Da erscheint es nur logisch, dass wir diese Schande so gut wie möglich vor anderen verbergen wollen.
    Bevor wir uns mit den verschiedenen Masken befassen, hinter denen sich Einsamkeit verstecken lässt, möchte ich mich erst einmal mit Ihnen darüber unterhalten, warum das Versteckspiel überhaupt so bitter nötig ist. Wie kommt es, dass gerade Einsamkeit von den Betroffenen selbst und von ihrer Umgebung so wenig akzeptiert wird?

Warum uns Einsamkeit so tief unter die Haut geht
    D er griechische Philosoph Aristoteles bezeichnete den Menschen als »Zoon politikon«, als Gesellschaftswesen. Bisher wurde seine Beobachtung von den Ergebnissen der Anthropologie, Soziologie und Psychologie bestätigt. Offenbar handelt es sich um ein uraltes |53| Menschheitserbe, das jeder in sich trägt. Seit den Anfängen unserer Geschichte sind wir auf andere Menschen angewiesen. Stellen Sie sich vor, ein Neandertaler hätte plötzlich beschlossen, sich von seiner Horde zu trennen. Wahrscheinlich wäre er dem Hungertod oder dem nächsten wilden Tier zum Opfer gefallen. Dass unsere Artgenossen ganz konkret unser äußeres Überleben sichern, können wir noch bis in die Gegenwart feststellen. Ein Säugling ohne Pflege würde sterben.
    Genauso wichtig wie die physische ist die seelische Zugehörigkeit. Wir brauchen eine Gruppe, zu der wir uns zählen können. Für unser psychisches Wohl erfüllt die Gruppe vielfältige Funktionen. Eine große Rolle spielt sie für unsere Identität. Indem uns die übrigen Gruppenmitglieder bestätigen: »Du bist richtig«, gelingt es uns leichter, zu erkennen, wer wir sind und uns selbst zu akzeptieren. Außerdem fühlen wir uns in einer Gruppe geborgen. Sie bietet eine geistige und reale Heimat, in die wir uns flüchten können. Hier werden wir getröstet und aufgefangen, falls uns etwas Unangenehmes geschieht. Hier können wir aber auch unsere Freude und unsere Erfolge teilen.
    Wenn wir einsam sind, stehen wir außerhalb der Gruppe, und unser Grundbedürfnis besonders nach Nähe, Geborgenheit und Austausch bleibt unerfüllt. Dieser Mangel lässt sich nicht wie irgendein beliebiger unerfüllter Wunsch durch Einsicht überwinden. Er geht an die Substanz, weil er einen zentralen Kern unseres Menschseins berührt. Solange wir mit anderen Kontakt haben – und das ist auch auf die innere Begegnung bezogen – hilft uns ihre Zuneigung und Liebe, zu vergessen, was wir in Wirklichkeit sind: Einzelwesen. Erst die Einsamkeit macht uns das wieder schmerzhaft deutlich.

Warum Einsamkeit von außen als Makel gesehen wird
    W enn wir bewusst oder unbewusst zeigen, dass wir einsam sind, bleibt das nicht ohne Wirkung. Im positiven Fall rühren wir unser Gegenüber damit an, überwiegend aber lösen wir Fluchtimpulse aus. Von einem einsamen Menschen ziehen sich die meisten eher zurück. Das kann verschiedene Gründe haben:

|54| Die Gruppe fühlt sich irritiert
    E ine der Ursachen dafür lässt sich in gesellschaftlichen Bedingungen finden. Zu den Gesetzen einer Gruppe gehört, dass sich die Mitglieder weitgehend anpassen und nicht aus der Reihe tanzen, denn nur so bleibt der Zusammenhalt gewahrt. Wer von der gängigen Norm abweicht, gefährdet die Einheit und wirkt störend oder sogar bedrohlich. Die Gruppe versucht, ihn so bald wie möglich loszuwerden, nicht immer auf die feine Art. In Firmen wird gemobbt, in Familien wird das »schwarze Schaf« isoliert oder ganz ausgeschlossen.
    Wenn wir einsam sind, senden wir Außenseiter-Signale. Natürlich geschieht das nicht einfach, indem alle Einsamen in gedämpften Farben herumlaufen und ständig in Tränen ausbrechen. Höchstens bei offensichtlicher Einsamkeit nehmen die anderen deutlich wahr, dass man beispielsweise auf der Party allein im Raum steht, verlegen das Weinglas zwischen den Fingern dreht und kaum mit jemandem spricht. Weit häufiger aber strahlen wir eher subtil aus, dass wir einsam sind. Möglicherweise ist unsere Körpersprache verschlossen, unsere Wortwahl drückt wenig Optimismus und Vertrauen aus oder wir suchen zu intensiv Nähe. Das sind nur einige Beispiele. Selbst wenn die anderen ihr Unbehagen uns gegenüber nicht konkret belegen können, registrieren sie doch, dass irgendetwas nicht stimmt. Einsame erscheinen

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