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All the lonely people

All the lonely people

Titel: All the lonely people Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Wlodarek
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anders, eben nicht so wie die übrigen Mitglieder, die problemlos Kontakt zueinander haben. Es ist, als ob sie ein unsichtbares Schild mit der Aufschrift »Vorsicht, einsam!« am Revers trügen. Die Einsamkeit macht sie zu Fremden.

Einsamkeit löst bei anderen eigene Ängste aus
    K ürzlich fuhr ich vom Einkaufen mit dem Fahrrad nach Hause. Unmittelbar vor mir radelte eine junge Frau. Plötzlich wurde sie vom Fahrrad geschleudert. Neben ihr hatte ein Autofahrer von innen seine Türe geöffnet, ohne sich vorher umzuschauen. Zum Glück kam die Frau mit ein paar blauen Flecken und dem Schrecken davon. Der war mir ebenso wie ihr in die Glieder gefahren. Sie tat mir leid – und |55| gleichzeitig dachte ich: »Ein paar Sekunden später, und ich wäre dran gewesen.« Wenn Sie einen Unfall beobachten oder hören, dass jemand aus Ihrem Bekanntenkreis plötzlich erkrankt ist, ziehen Sie gewiss auch unwillkürlich die Parallele zu sich selbst. Schließlich könnte Ihnen das ebenfalls passieren.
    Ähnlich ist es mit der Einsamkeit. Wenn wir einen einsamen Menschen sehen, berührt uns das nicht nur in Bezug auf ihn, sondern vor allem im Hinblick auf uns selbst. Uns wird in dem Moment plötzlich bewusst, dass auch wir nicht auf ewig vor Einsamkeit gefeit sind. Die Einsamkeit des anderen erinnert uns an unsere eigene Verletzlichkeit. Ich möchte sogar noch einen Schritt weitergehen, obwohl ich mir bewusst bin, damit ein Tabu anzusprechen: Einsamkeit gibt uns eine Ahnung vom Tod. Nicht umsonst spricht man von »tödlicher Einsamkeit«. Jeder von uns wird sterben. Und jeder wird diesen Weg alleine gehen müssen, auch wenn er noch so viele liebe Menschen um sich versammelt. Einsamkeit – äußere und innere – nimmt einen Teil dieses Erlebens vorweg. Sie tut deshalb so weh, weil wir damit der Tatsache ins Auge sehen müssen, dass wir letztlich allein auf dieser Welt sind. Deshalb ist es so schwer, die Einsamkeit eines anderen Menschen zu sehen. Wir werden durch ihn mit unserer eigenen, verdrängten Einsamkeit konfrontiert.

Einsamkeit ist anderen lästig
    A ngenommen, Sie wollen Weihnachten diesmal ganz stimmungsvoll mit Freunden oder der Familie feiern. Auf der Treppe treffen Sie zufällig Ihre alte Nachbarin. Sie erzählt, dass ihre Tochter nach Australien gezogen ist und dass sie am Heiligen Abend mutterseelenallein in ihrer Wohnung sitzen wird. Dabei treten ihr die Tränen in die Augen. Wenn Sie ein Herz haben, geraten Sie jetzt in Konflikt: Sollen Sie die alte Dame am 24. Dezember einladen?
    Einsamkeit verursacht leicht Schuldgefühle. Man fühlt sich verpflichtet, etwas dagegen zu unternehmen. Wenn wir ehrlich sind, geschieht das meist aus purem Pflichtgefühl, weniger aus einem echten mitmenschlichen Impuls.
    |56| Dabei können wir schon zufrieden sein, wenn wir überhaupt aktiv werden. Wo es irgend möglich ist, drücken wir uns um die notwendige Unterstützung und überlassen sie lieber denjenigen, die von Berufs wegen dafür zuständig sind, wie etwa Psychologen oder Geistliche. Verdenken kann man uns das nicht, denn wer lädt sich schon gerne fremde Probleme auf?
    Heimlich haben wir dabei auch im Hinterkopf, dass es ja wahrscheinlich damit nicht einmal getan ist. Wenn wir die einsame Kollegin einmal ins Theater mitnehmen, dann will sie das vielleicht öfter. Oder wenn wir den einsamen Kollegen mal auf ein Bier in die Kneipe einladen, dann erwartet er möglicherweise, dass wir ihn auch regelmäßig zum Essen in die Firmenkantine mitschleppen.
    Wir fürchten uns davor, dass sich der einsame Mensch an uns klammert wie ein Ertrinkender an den Rettungsschwimmer. Dann lassen wir doch lieber gleich die Finger davon, denn so sozial sind wir nun auch wieder nicht. Wir haben Angst, zu viel geben zu müssen.

Wir verstecken die Einsamkeit vor uns selbst
    S ie sehen, es gibt gute Gründe, warum Einsamkeit ungern offenbart wird. Sie liegen tief in unserem menschlichen Dasein und in unserem Naturell. Von daher ist es kein Wunder, dass sie nicht mit kühlem Kopf vorgebracht werden, etwa mit dem sachlichen Argument »Ich zeige meine Einsamkeit bewusst nicht, weil sie in der Gesellschaft nicht akzeptiert wird.« Wo wir Einsamkeit kaschieren, geschieht das intuitiv – aus Selbstschutz.
    Die allererste Person, vor der wir die Einsamkeit verstecken, sind oft genug wir selbst. Wir wollen ungern wahrhaben, dass wir einsam sind. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, finden wir Mittel und Wege, unseren Zustand zu verharmlosen oder

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