All the lonely people
Eigenschaft oder nur wenige markieren. Habe ich recht? Wenn ja, liegt das entweder daran, dass wirklich keine oder kaum eine auf Sie verstärkt zutrifft – oder Ihnen geht es wie den meisten von uns: Solche hässlichen Eigenschaften gesteht man sich selbst einfach nicht ein. Das wäre für unser Ego denn doch ein zu harter Schlag. Wer sagt denn schon von sich: »Ich bin bösartig«? Sogar wenn wir ahnen, dass wir vielleicht die eine oder andere der obigen Eigenschaften aufweisen, formulieren wir sie eher um, als dass wir sie zugeben: Wir sind nicht geizig, sondern sparsam, nicht geschwätzig sondern kommunikativ, nicht taktlos, sondern ehrlich.
Handicaps als Alibi
W ie ungern wir die Verantwortung übernehmen, zeigt sich auch noch bei anderer Gelegenheit: Wir führen unsere äußeren Mängel an, |175| um zu erklären, warum wir einsam sind. Auf den ersten Blick klingt das überzeugend. Wer wollte leugnen, dass ein sportlicher Mensch attraktiver ist als einer, der im Rollstuhl sitzt? Oder dass jemand mit Pfirsichhaut anziehender erscheint als einer mit Aknenarben? Wer stottert, dem hört man weniger gern zu. Körpergröße beeindruckt mehr als Zwergwuchs. Allerdings täuschen wir uns, wenn wir glauben, hierin lägen die Ursachen unserer Einsamkeit. Unser Handicap mag auf den ersten Blick abschrecken, doch der erste, spontane Eindruck, den wir auf unser Gegenüber machen, hält nicht automatisch an. Das können Sie leicht selbst überprüfen. Angenommen, Sie fühlen sich von einer bildhübschen Frau oder einem gut aussehenden Mann angezogen. Und dann entpuppt sie oder er sich als arrogant, langweilig oder strohdumm. Aus ist es mit dem Reiz.
Das gleiche System gilt auch umgekehrt: Wir können unsere Gesprächspartner jedes äußere Handicap vergessen lassen. Unsere Persönlichkeit zählt mehr als unsere Erscheinung, sie ist stärker als die meisten Beeinträchtigungen. Wichtiger als die äußere Vollkommenheit ist, wie warmherzig, klug, charmant, liebenswürdig und interessant wir sind. Glauben Sie mir, damit will ich Sie nicht billig trösten, falls Sie unter einem Handicap leiden. Es ist eine Tatsache, für die es jede Menge Belege gibt: An einem meiner Seminare nahm zum Beispiel eine junge Frau teil, die stotterte. Sie ging damit so selbstsicher und liebenswert um, dass wir ihr Stottern schließlich sogar als ihre persönliche Note betrachteten. Oder: Ich kenne einen Mann, dessen Gesicht von einen großen Blutschwamm entstellt ist. Sobald man sich mit ihm unterhält, tritt das völlig in den Hintergrund. Man nimmt nur noch sein Lächeln und seine Augen wahr.
Andererseits habe ich auf einem Fest einmal einen kleingewachsenen Herrn kennen gelernt, der offenbar mit seiner Körpergröße Probleme hatte. Ich begegnete ihm ganz selbstverständlich nett und freundlich, wie allen anderen auch. Er aber fühlte sich wohl durch meine Größe von 1,80 m provoziert und äußerte sich mir gegenüber so zynisch und bösartig, dass ich ihn nach kurzer Zeit stehen ließ. Ich wette, er glaubt, keiner mag ihn, weil er so klein ist.
|176| Verdrängen hilft nichts
O b es sich nun um harmlose oder gefährliche Schwächen handelt, der allererste und wichtigste Schritt besteht darin, dass wir uns für unser Verhalten verantwortlich fühlen. Wir müssen aufhören, es anderen zuzuschieben oder Entschuldigungen zu finden. Ehrliche Selbstkritik ist notwendig, wenn wir aus unserer Einsamkeit herauswollen. Denn eins steht fest: Egal, wie sehr wir unser Selbstbild auf Hochglanz polieren, unsere Schwächen leugnen oder verdrängen – die Stunde der Wahrheit schlägt spätestens, wenn wir anderen begegnen. Denen ist es nämlich ziemlich egal, was wir von uns halten. Sie reagieren einzig und allein auf das, was wir ihnen tatsächlich bieten.
Deshalb empfehle ich eine Generalinventur. Nichts wäre mir lieber, als dass sie sich am Ende als überflüssig herausstellt. Doch das können wir erst beurteilen, wenn wir sie einmal durchgeführt haben.
Schließlich werden wir nicht aus dem Stand heraus scharfsichtig, wo es sich doch um unseren blinden Fleck handelt. Dennoch gibt es einen effektiven Weg, herauszufinden, was uns einsam macht: Indem wir die Meinung der anderen über uns erkunden. Ihre Rückmeldung ist ein Spiegel, in dem wir uns deutlicher sehen können als je zuvor.
Wenn wir diesen Weg einschlagen, geht es zunächst noch nicht darum, gezielt nachzufragen, was unsere Umwelt an uns stört. Für den Anfang reicht es, wenn wir die Augen
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