All unsere Traeume - Roman
nicht, dass sie mit Ben gestritten hatte. Während es passierte, hatte sie sich eigenartig beherrscht gefühlt, obwohl sie Dinge von sich gab, bei denen sie nicht sicher war, ob sie sie auch meinte. Doch anschließend hatte es sie mit voller Wucht getroffen. Er hatte sie noch nie zuvor ernsthaft kritisiert. Sie waren immer davon ausgegangen, dass sie in den meisten Dingen derselben Meinung waren.
»Ich weiß, was los ist«, sagte Posie vom Rücksitz aus. Romily ließ von ihren Gedanken.
»Ist das wieder eine deiner Theorien?«, fragte sie.
»Du triffst dich wieder mit Jarvis und fragst mich, was ich von ihm halte, weil er dein neuer Freund ist.«
Romily lachte lauthals. »Oh! Oje, nein, Pose. Das stimmt nicht.«
»Es macht mir nichts aus, wenn er dein Freund ist.«
»Er ist nicht mein Freund.«
»Wieso hast du eigentlich keinen Freund?«
»Weil es Wichtigeres in meinem Leben gibt. Beispielsweise dich. Da wären wir.« Romily parkte das Auto mit einer Mischung aus Angst und Erleichterung. Heute war es sonnig, und im Park war viel los. Von hier aus sah sie über das Spielfeld bis zu dem Spielplatz, wo auf der Bank bereits eine mittlerweile vertraute Gestalt wartete.
Posie lief voraus. Romily versuchte, Schritt zu halten. Zum wiederholten Mal in dieser Woche fiel ihr auf, dass sie angefangen hatte, wie eine Schwangere zu watscheln. Jarvis sah ihnen entgegen.
»Hey«, sagte er und stand auf, die Hände in den Hosentaschen.
»Hi«, sagte Posie. »Bohrst du in der Nase?«
»Posie!«
»Ich weigere mich, diese Frage zu beantworten«, erklärte Jarvis. Doch er lächelte jetzt, wie er es immer tat, die Mundwinkel nach unten.
»Romily sagt, dass jeder popelt.«
»Ich beuge mich Romilys Expertenmeinung.«
» Ich popel nicht.« Posie ließ sich mitten auf die Bank plumpsen. Jarvis setzte sich neben sie, sodass auf der anderen Seite Platz für Romily blieb.
»Glaub ihr bloß nicht«, sagte Romily zu Jarvis. Sie war wieder verblüfft, wie sehr sich die beiden ähnelten: ihre Augenfarbe, die dicken Haare. Die Sommersprossen auf der Nase. Nervosität stieg wie Übelkeit in ihr empor, und sie öffnete die Tasche, um nach einem Pfefferminzdrops zu suchen, obwohl sie sich schon seit Tagen nicht mehr übergeben hatte. Seit dem Yoga war ihre Übelkeit wie weggeblasen. Oder vielleicht war diese Phase der Schwangerschaft unabhängig davon vorübergegangen.
»Schubst du mich gleich auf der Schaukel an?«, fragte Posie ihn.
»Wenn du möchtest.«
»Ja! Aber zuerst: Romily will mir nicht verraten, warum wir uns wieder mit dir hier im Park treffen.«
Romily stellte ihre Suche nach einem Pfefferminzdrops ein. Über Posies Kopf hinweg sah sie Jarvis an. Sein ironisches Lächeln war verschwunden. Tatsächlich sah er eher höchst verunsichert aus.
»Ähm«, meinte er. »Und du willst es wissen.«
»Hast du denn kein Auto, um zu uns nach Hause zu kommen? Der Bus hält auch direkt vor unserer Tür.«
»Ich … glaube, deine Mutter wollte sich an diesem Ort treffen, weil er neutral ist. Weißt du, was das bedeutet?«
»Ja. Ich habe den besten Wortschatz in der Klasse.«
»Das überrascht mich nicht.« Jarvis holte tief Luft.
Romily hatte nicht damit gerechnet, dass er Angst haben würde. Gut, dachte sie. Du solltest Angst haben. Das hier ist angsteinflößend.
»Die Sache ist die, Posie, dass …« Er sah wieder Romily an.
»Wir haben dir etwas zu sagen«, meinte Romily.
»Was denn?«
Du oder ich? Die Frage stand in seinem Gesicht geschrieben. Was ist besser? Romily zuckte die Schultern. Als hätte sie die leiseste Ahnung.
»Was ist es?«, fragte Posie Jarvis. Das schien die Sache zu entscheiden – jedenfalls in seinen Augen.
»Es ist so, dass ich dein Vater bin.« Jarvis schluckte, holte erneut tief Luft und setzte sich aufrecht hin. »Ich bin dein Vater.«
Posie legte die Stirn in Falten, wie sie es tat, wenn sie nachdachte.
»Echt?«
»Ja«, sagte Romily. »Das ist er.«
Posie blickte von Jarvis zu Romily. »Seid ihr beide verheiratet gewesen oder so?«
»Nein, wir sind nicht verheiratet gewesen«, antwortete Romily.
»Aber habt ihr Sex gehabt?«
»Ähm«, meinte Jarvis.
»Ja«, sagte Romily. »Haben wir.«
»Wo bist du denn seit meiner Geburt gewesen?«, fragte Posie Jarvis. »Guatemala?«
»Ähm. Teilweise. Ich habe nicht von dir gewusst, weißt du?«
»Aber du hattest Sex mit Romily. Du hast also gewusst, dass ein Baby kommt.«
Jarvis hatte je einen roten Fleck auf den Wangenknochen. Romily kam
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