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All unsere Traeume - Roman

All unsere Traeume - Roman

Titel: All unsere Traeume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cohen
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sie befanden sich in einem Supermarkt, und ein Teil ihres Gehirns war immer noch beim Klopapier.
    »So einfach ist das nicht«, sagte sie schließlich.
    »Doch, ist es.« Posie lächelte sie gelassen an. Dann deutete sie an Romilys Schulter vorbei. »Und sieh mal, da ist der Tofu.«

G-Dur
    S ommertage waren zu lang.
    Claire hatte eine Orangensahnetorte für das Dorffest gebacken und, da sie schon einmal dabei gewesen war, gleich noch mehrere Zitronenkuchen für die Gefriertruhe. Sie ließ einen draußen für die Kinderwunsch- Selbsthilfegruppe. Sie war schon seit Monaten nicht mehr dort gewesen, nicht seit sie die Fehlgeburt erlitten und entschieden hatte, sich nicht mehr behandeln zu lassen. Doch sie überlegte, vielleicht am Donnerstag hinzugehen. Sie war inzwischen so weit, sich der Gruppe persönlich zu stellen, und sie wusste, dass sie sich alle für sie freuen würden. Oder zumindest würden sie so tun, als würden sie sich für sie freuen. Diejenigen, bei denen die künstliche Befruchtung geklappt hatte, würden sie wahrscheinlich bemitleiden, und diejenigen, die es immer noch versuchten, würden Gott danken, dass sie noch nicht derart verzweifelt waren.
    Nach reiflicher Überlegung tat sie den Extrakuchen zu den anderen in die Gefriertruhe.
    Sie machte ihre Yogaübungen, steckte die Vorhänge des Gästezimmers in die Waschmaschine und hängte sie draußen über die Wäscheleine, damit sie in der Sonne trocknen konnten. Sie schrieb einen Brief auf richtigem Papier und legte ihn für später beiseite. Sie bereitete sich zum Mittag essen einen Salat zu. Sie jätete Unkraut im Garten und besprühte ihre Rosen, die erste Anzeichen von Blattlausbefall aufwiesen, mit Seifenwasser. Sie betrachtete die kleinen grünen Insekten mit zusammengekniffenen Augen und versuchte den Honigtau zu erkennen, den sie laut Romily fabrizierten, aber sie konnte nichts sehen, und sie würde gewiss nicht probieren, um es herauszufinden. Sie überlegte, Ben anzurufen, doch sie hatten schon am Vormittag telefoniert, und sie wusste, dass er beschäftigt war. Helen und Andrew waren mit den Kindern im Urlaub. Sie rief bei ihrer Mutter an, die aber nicht zu Hause war. Sie griff nach dem Roman, den ihr Literaturkreis gerade las, einen Generationenroman mit verwirrend vielen Figuren. Im Literaturkreis war sie auch schon seit Monaten nicht mehr gewesen: Nach ein paar Gläsern Wein verbrachten sie zu viel Zeit damit, sich über ihre Kinder zu unterhalten. Sie legte den Roman beiseite und ging stattdessen spazieren, ihre gewöhnliche Route über die Felder im Süden des Dorfes zur Themse. Sie sah den Enten beim Zanken zu und den Schwänen, die seelenruhig an ihnen vorbeischwammen.
    Bei ihrer Rückkehr war es erst Viertel nach zwei.
    Sie schüttelte die Hände, um sie zu lockern, ließ ihre Finger flattern und setzte sich an den Flügel. Das Stück auf der Notenablage war eine Fuge von Bach, und sie hatte nicht genug geübt, um das mathematisch perfekte Gebilde von Melodie und Kontrapunkt zum Klingen zu bringen. Sie fand nie die Zeit zum Üben, obwohl sie alle Zeit der Welt hatte.
    Früher waren die Stunden verflogen, während sie am Klavier saß. Andere Kinder mussten zum Üben gezwungen werden, ihre Eltern hatten sie zwingen müssen, nach draußen zum Spielen zu gehen, an die frische Luft, und selbst dann wirbelte die Musik durch ihr Inneres. Sie sprang Seil im Takt der Musik, lief in ihrem Rhythmus.
    Die Melodie stolperte dahin. Ihre Finger fühlten sich weder leicht noch sicher genug an. Claire schloss die Augen und versuchte, ihre Hände von der Musik führen zu lassen. Fuge in g-Moll, Bach-Werke-Verzeichnis 861. Sie erzählte ihren Schülern davon, dass diese Musik zwar für das Klavichord geschrieben worden war, dass die schwermütige Schönheit und subtile Wärme aber erst auf einem moder nen Klavier richtig zur Geltung kamen. Heute wollte es ihren Fingern nicht gelingen. Sie hörte auf zu spielen, die Augen immer noch geschlossen. Diese Fuge endete mit einem G-Dur-Akkord. Unsicherheit mündete in Ent schlossenheit, feierlicher Ernst in Glück.
    Von sich aus spielten ihre Finger eine Melodie aus dem Gedächtnis. Sanft, fröhlich, vertraut, und ebenfalls in g-Moll. Einen Augenblick versuchte sie, sie einzuordnen – sie war modern, etwas, das sie im Radio gehört hatte? Und dann fiel es ihr wieder ein. Es war das Lied von Max. Das Stück, das er das Mutter-Thema nannte.
    Armer Max. Sie fragte sich, wie seine Sommerferien wohl verliefen,

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