All unsere Traeume - Roman
ihm zu Hilfe. »Es entsteht nicht jedes Mal ein Baby, wenn man miteinander schläft, Posie. Manchmal haben Leute zum Spaß Sex.«
»Komisch.« Posie wandte sich wieder an Jarvis. »Du und Romily habt mich also gemacht, aber du hast es nicht gewusst, du dachtest, es sei bloß zum Spaß, und dann bist du nach Guatemala geflogen.«
»So ungefähr«, sagte Jarvis. »Wenn ich von dir gewusst hätte, wäre ich nicht so lange weggeblieben, glaube ich.«
»Aber wo du jetzt Bescheid weißt, bleibst du in England, ja?«
»Ich …«
»Er möchte dich besser kennenlernen, Posie«, sagte Romily, bevor Jarvis sich unter diesem Druck zu mehr Enga gement verpflichtete, als er geplant hatte. »Deswegen haben wir uns also getroffen, und er hat dir gesagt, dass er dein Vater ist.«
»Ich habe mir gedacht, wir könnten ein paar Dinge zusammen unternehmen«, schlug Jarvis vor. »Ich würde gern ein bisschen Zeit mit dir verbringen.«
»Ich denke, das ist okay«, antwortete Posie. »Wie soll ich dich nennen? Dad?«
»Da du deine Mutter beim Namen nennst, wieso versuchen wir es nicht mit ›Jarvis‹?«
»Okay.« Posie sprang von der Bank. »Komm, schubs mich auf der Schaukel an, Jarvis.«
»Ich komme gleich.«
Sobald sie weg war, sackte Jarvis wieder auf der Bank zusammen und rieb sich mit der Hand die Stirn. Er hatte geschwitzt.
»Es ist okay verlaufen«, versicherte Romily ihm.
»Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so verlegen gewesen.«
»Sie ist die Königin der peinlichen Fragen.«
»Sie … scheint sehr bewandert in Sachen Sex zu sein. Für sieben.«
»Sie ist neugierig. Ich bin Biologin.« Romily nahm ihre Suche nach den Pfefferminzdrops wieder auf, fand ein Päckchen und reichte es ihm. »Du hattest dir schon im Vorhinein überlegt, wie sie dich nennen soll, nicht wahr?«
»Ja. Warum nennt sie dich überhaupt Romily?«
»Es schien besser zu mir zu passen als ›Mum‹. Hast du … Du hast keine Kinder, oder? Ich meine, andere Kinder?«
»Nein. Ich habe Nichten und Neffen, aber das hier ist völlig neu für mich.« Von den Schaukeln aus, wo Posie eine freie ergattert hatte, winkte sie ihn zu sich. »Glaubst du, dass sie mich einfach akzeptiert, so mir nichts, dir nichts?«, fragte er.
»Sie wird schon noch ihre Meinung kundtun, irgendwann später, wenn man nicht mehr damit rechnet«, sagte Romily. »Sie hat in letzter Zeit recht viel zu verdauen gehabt.«
Jarvis blickte auf ihren Bauch. Seine Miene verspannte sich, und er stand auf, um sich zu Posie zu gesellen. Ein paar Minuten später drang ihr freudiges Kreischen an Romilys Ohr.
Sie legte sich die Hände auf den Bauch. Das kleine Etwas, das da in ihrem Innern heranwuchs, würde diese Probleme nicht haben. Von Anfang an würde es keinen Zweifel daran geben, wer seine Eltern waren. Posie mochte ein wenig durcheinandergeraten und versuchen, es als Bruder oder Schwester in Beschlag zu nehmen, aber das wäre kein Problem. Es war unmöglich, dass ein Baby von zu vielen Menschen geliebt wurde.
Romilys eigener Vater, William, war vor zehn Jahren an Herzversagen gestorben. Er war Buchhalter. Sie wünschte, Posie hätte ihn kennengelernt. Romily erinnerte sich an lange Angelwochenenden mit ihm, an denen sie sich im Radio Cricket anhörten und das Ökosystem des Flussufers untersuchten. Als Hobbybiologe besaß er ein kleines, in Öltuch eingeschlagenes Notizbuch, in das er die wissenschaftlichen Namen der Tiere schrieb, die sie sahen, die Maße der Fische, die sie fingen und wieder freiließen. Romily hatte es immer noch irgendwo. In einem Jahr hatten sie dieselbe braune Forelle sieben Mal gefangen.
Den Kopf in den Nacken gelegt schloss sie die Augen, ließ sich das Gesicht von der Sonne wärmen und lauschte den Geräuschen der Kinder. Sie sah ihre n Vater in Posie: die Konzentrations- und Abstraktionsfähigkeit, das rasche Wenden des Kopfes, die Begabung fürs Kopfrechnen. Ro milys Mutter war gestorben, als Romily noch klein war, und war nichts weiter als eine warme Erinnerung und Fotos. Doch von ihr hatten sie das spitze Kinn, Romily ebenso wie Posie.
Jarvis musste solche Ähnlichkeiten auch sehen. Er hatte gesagt, Posie sähe wie seine Schwester Sally aus. Merkwürdig, dass Romilys eigene Tochter jemandem ähnlich sehen konnte, den Romily nicht kannte, dass dieses Mädchen, das ihr völlig vertraut war, dessen Körper sie zur Welt gebracht und gebadet und umsorgt hatte, immer noch Geheimnisse in sich barg.
Vielleicht würde dieses Baby, das sie austrug,
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