Allan - Das Relikt der Goetter (Band 1) (German Edition)
vom Haus entfernt blieb sie stehen. Wenn diese Kreaturen sie sehen würden, würden sie mit Sicherheit auf sie zukommen. Warum etwas hinterherlaufen, wenn es von alleine zu einem kommt, dachte sie sich. Es dauerte nicht lange und es kam. Nicht schnell. Es schlich. Esarys Herz schlug ihr bis zum Hals, doch blieb sie stehen, und tat, als würde sie die kommende Bedrohung nicht wahrnehmen. Sie spürte es näherkommen, jedoch verweilte sie ruhig. Nicht mehr lange, dann würde es hinter ihr sein. Bald konnte sie den Atem des Wesens spüren. Sie holte aus, wirbelte herum und verfehlte seinen Kopf um Haaresbreite. Dieses Unwesen packte sie am Hals. Nachdem sie mehrere Male erfolglos in seine Richtung geschlagen hatte, steckte sie all´ ihre Kraft in den nächsten Schlag, rammte die Axt in seinen Schädel, woraufhin es sie losließ und zu Boden sank. Sie rieb sich die schmerzende Kehle. Dann schlug sie dem schwarzen Ungetüm den Kopf ab, welchen sie im Schnee liegen ließ. Den Körper schleppte sie zu ihrem Elternhaus. Vater würde vor Stolz platzen.
Merelitos stand da und schwieg. Eorewyn hingegen kochte vor Wut.
»Was wäre, wenn dich dieses Wesen getötet hätte? Hast du auch mal an uns gedacht, was wir hätten erleiden müssen, wenn dir etwas zugestoßen wäre?«
»Ja, Mutter. Natürlich hab´ ich das.«
»Wohl kaum, sonst wärst du nicht so leichtsinnig gewesen und hättest dein Leben aufs Spiel gesetzt.«
»Nun beruhig´ dich bitte, Eorewyn!« Merelitos tat etwas, womit Esary niemals gerechnet hätte. Er ergriff für sie Partei. Das hatte er noch nie getan. »Sie hat sich gewiss über all´ diese Dinge ihr hübsches Köpfchen zerbrochen. Stell´ dir doch mal die Frage, warum sie hinausgegangen ist und ihr Leben riskiert hat.«
»Weil sie von allen guten Geistern verlassen und lebensmüde war.« Eorewyn beruhigte sich keinesfalls.
»Da liegst du falsch, meine Liebe.«
Sie schien sprachlos und konnte anscheinend nicht verstehen, weshalb ihr Mann Esary in Schutz nahm.
»Soll ich dir sagen, warum unsere Tochter ihr Leben riskiert hat?«
»Ja, bitte. Klär´ mich auf«, antwortete sie schnippisch.
»Weil sie an uns gedacht hat. Sie hat das getan, wozu ich nicht in der Lage war: für Essen zu sorgen. Und vielleicht wollte sie uns zeigen, wie stark und mutig sie ist, damit sie Allan und mich begleiten kann. Aber ...«
»Ihr kommt nicht mit.«
Alle drehten sich um und erblickten Allan.
Allan war von dem lauten Stimmengewirr im Wohnraum geweckt worden. Seine Glieder hatten sich erholt und er hatte sich zu der Familie begeben.
»Allan!« Merelitos ging auf ihn zu. »Dir scheint es wieder besser zu gehen.«
»Sieht so aus. Ihr kommt nicht mit.«
»Sei bitte nicht dumm. Vor dir liegt noch eine lange und beschwerliche Reise, bei der du Hilfe gebrauchen könntest.«
»Bezeichne mich nicht als dumm. Du kennst mich nicht. Ihr alle kennt mich nicht.« Was fiel ihm ein, ihn dumm zu nennen? Allan war vielleicht unerfahren, aber ganz gewiss nicht dumm.
»Aber Allan«, sprach Eorewyn sanft zu ihm. »Sei vernünftig und nimm die Hilfe meines Mannes an.«
Er wollte etwas sagen, doch ihre Stimme wurde lauter und ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Du hast recht. Wir kennen dich nicht. Doch kennst du diese Welt und die Wesen, die in ihr lauern? Bestimmt nicht.« Sie sah ihn eindringlich an. »Ich habe deine Wunden gesehen. Du stehst erst am Anfang einer langen und gefährlichen Reise. Meinst du wirklich, alleine gegen all´ das Böse, was auf dich lauert, angehen zu können?«
»Ich bin der Auserwählte. Die Prinzessin sieht in mir den Retter von Tylonia.«
»Trotzdem kannst du unsere Hilfe annehmen.«
»Denk´ über unsere Worte nach«, sagte Merelitos.
»Das brauche ich nicht. Ihr werdet euch nicht unnötig in Gefahr begeben. Ich werde morgen aufbrechen.« Er drehte sich um und verließ den Wohnraum.
Am Abend saß Allan bei seinem Pferd und dachte doch über die Worte von Merelitos und Eorewyn nach. Warum waren sie der Meinung, er könnte es alleine nicht schaffen? Die Prinzessin hatte ihm die Chance gegeben, sich einmal in seinem Leben beweisen zu können. Aber dann kam ihm ein Mann in den Weg, der nicht mal seine Familie ernähren konnte. Er würde auf seine Entscheidung, ohne sie weiterzureisen, beharren. Hinter ihm war jemand. Er hörte Schritte auf sich zukommen. Esary setzte sich zu ihm.
»Ich weiß, weshalb du hier bist«, wollte Allan sie abwimmeln. »Aber spar´ dir den Atem. Es ist vergebene
Weitere Kostenlose Bücher