Allan - Die Suche nach dem Ich (Band 2) (German Edition)
sie meist nur von seinen Sternentdeckungen handelten, doch dieses Mal war es anders. Sie musste ihm einfach zuhören, und das aus gutem Grund: um Arana nicht noch mehr Sorgen zu bereiten.
»Hast du denn Zeit?«, fragte er schwer atmend. Scheinbar war er hierhergerast, statt wie jeder andere Mensch zu gehen. »Eigentlich ist es ja für Arana gedacht.«
»Sobald es ihr wieder besser geht, werde ich ihr davon erzählen.«
»Ehrlich?«
»Ja.«
»Versprichst du es mir?«
»Ja«, seufzte sie genervt. Wieso konnte er nicht auf den Punkt kommen?
»Gut. Aber nicht hier.«
Korins Schultern wurden schlaff und sie ließ den Kopf hängen. Warum sagte er nicht einfach das, was er zu sagen hatte? Da es sowieso keinen Sinn hatte, weiter über das Wieso und Warum nachzudenken, willigte sie ein, Malon in das Observatorium zu folgen.
Sie war noch nie dort gewesen. Es hatte sie schlichtweg nie interessiert, wie und wo er lebte. Sie hatte keine großartige Bindung zu dem alten Mann - eigentlich zu niemandem aus Okrai, abgesehen von Sinalia. Das lag eindeutig an ihrer eigentümlichen Art, wie ihre Freundin ihr schon oft zu verstehen gegeben hatte. Jedoch war es ihr immer gleich gewesen, was die anderen über sie dachten. Sie war so, wie sie war und so war sie gut. Sie wunderte sich über sich selbst, weshalb sie sich überhaupt so rührend um Arana kümmerte und vor allem, dass sie in das Observatorium gekommen war. Doch seit Giyas Verschwinden hatte sich Einiges in dem Ort verändert - er war nicht mehr das, was ihn einst so ausgezeichnet hatte: die belebte, freudige, kleine Stadt im Zentrum Heravinas. Nun beherrschte Trauer und Angst den Alltag der Bewohner, obgleich jeder versuchte, sein Leben so normal zu gestalten, wie es nur möglich war. Auch Korin hatte sich gewandelt. Ihr egoistisches Denken, welches sie sonst stets an den Tag gelegt hatte, hatte Platz für ein mitfühlendes, besorgtes Wesen gemacht, das ihr zuerst Angst bereitet hatte. Doch mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, sich von einer angenehmen, von den Menschen geschätzten Seite zu zeigen - und das gefiel ihr nicht mal schlecht.
Sie hatte sich Malons Heim anders vorgestellt, irgendwie klinischer. Das lag vermutlich daran, dass sie noch nie zuvor eine Sternenwarte von innen gesehen hatte. Sein Reich wirkte warm und gemütlich, wie annähernd jedes Haus in Okrai. Er bat sie, auf einem Kissen auf dem Boden Platz zu nehmen. Nachdem sie sich niedergelassen hatte, gesellte er sich zu ihr, ebenso auf einem dicken, weichen Kissen.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte er, während er sich Wasser aus einer Karaffe in einen Glasbecher goss.
»Nein danke«, antwortete sie höflich, doch bestimmt, um ihm verständlich zu machen, dass er kein zweites Mal fragen bräuchte. »Also, Malon ... Was ist so wichtig, dass du es mir nicht vor Aranas Haus sagen konntest?«
»Ich habe Hone, Sinalia und diesen Allan durch das Sternenglas gesehen.«
»Und?« Sie wusste nicht, was er ihr damit sagen wollte. Sie waren am Leben und das war doch schon mal gut. Oder nicht?
»Sie sind im Incwana-Canyon.«
Mehr Worte benötigte es nicht, um Korin verständlich zu machen, weshalb er so aufgeregt gewesen war. Hone hatte im Incwana-Canyon Schlimmes erleben müssen und alle Bewohner Okrais ahnten, was geschehen würde, wenn er dorthin zurückkehren müsste: Er würde durchdrehen und somit nicht nur sich, sondern auch seine Begleiter in Gefahr bringen.
»Du solltest dich auf den Weg zu ihnen machen.«
Korin riss entsetzt die Augen auf. Was hatte er da eben gesagt? Sie solle sich auf den Weg zum Canyon machen?
»Wieso ich?«
»Weil du die Einzige bist, der ich davon erzählt habe, und deinem Ausdruck zu urteilen, sollten die anderen davon besser nichts erfahren.«
»Das sollten sie ganz gewiss nicht, das stimmt. Aber wieso soll ausgerechnet ich zum Canyon?« Sie konnte nicht begreifen, warum er das von ihr verlangte.
»Um Hone zu unterstützen und ihm von einem wohlmöglichen Fehler zu bewahren.«
»Aber Hone hat Unterstützung. Sinalia und Allan sind bei ihm.«
»Wenn das deine feste Meinung ist, dann ... sollten wir die drei in unsere Gebete mit einbeziehen.«
Malon stand von dem Kissen auf und begab sich wieder an sein Teleskop. Er ließ Korin verwirrt und mit durcheinandergewirbelten Gefühlen einfach sitzen und kümmerte sich nicht weiter um sie.
Korin wünschte sich, nicht mit in das Observatorium gekommen zu sein. Das hatte ihr gesamtes Leben verändert.
Allan
Weitere Kostenlose Bücher