Allan - Die Suche nach dem Ich (Band 2) (German Edition)
Gegner den Angriff und hob den Arm zur Abwehr. Allans Klinge schlug mühelos in das Fleisch hinein und seinem Widersacher den linken Arm ab. Ein markerschütternder Schrei drang durch die Öffnungen der Maske hindurch, Blut spritzte auf die Kleidung der Männer. Allan konnte sich nicht vorstellen, welche Schmerzen sein Feind erleiden musste - allerdings interessierte ihn das auch nicht. Dieses Monster hatte schon so vielen Menschen und anderen Wesen Leid zugefügt, es war nur gerecht, dass ihm dasselbe wiederfuhr. Die anfängliche Pein schien nachzulassen. Nalla bückte sich und drückte den Armstumpen auf das Eis unter seinen Füßen, um die Blutung zu stillen. Allan hob erneut sein Schwert, doch schon im nächsten Augenblick hob sein Kontrahent den unverwundeten Arm. Eine unsichtbare Welle dunkler Macht fuhr ihm entgegen, die ihn von den Beinen riss, einmal über die Insel schleuderte und ins Wasser stieß. Ohne etwas dagegen bewirken zu können, tauchte Allan in dem eiskalten Meer unter. Er spürte, wie sich seine Adern, Muskeln und Haut zusammenzogen. Ein Schutzmechanismus, der ihm unsagbare Schmerzen bereitete. Sein Kehlkopf verkrampfte sich, er bekam kaum Luft. Seine Sinne drohten ihn zu verlassen. In der aufkommenden Panik sah er auf einmal, wie sein Schwert Richtung Meeresboden sank. Er nahm all´ seine Kraft zusammen und schwamm ihm hinterher, bis er es endlich wieder in den Händen hielt. Schließlich tauchte er aus dem eisigen Wasser auf. Nalla schien sich derweil erholt zu haben, denn er kam auf ihn zu. Allan hechtete auf die Insel und richtete sein Schwert auf seinen Gegner.
»Was ist?«, fragte dieser herablassend. »Willst du mir noch einen Arm abschlagen? Das hält mich nicht auf. Die Kraft der Maske lässt es nicht zu, dass ich sterbe.«
»Dann werde ich dem halt ein bisschen nachhelfen müssen«, erwiderte Allan, während sein Schwert auf Nalla herabfuhr, womit er die Maske von seinem Haupt abschlug. Sie flog über die Insel und blieb kurz vorm Wasser liegen. Nun stand ihm sein vermeintlicher Bruder in seiner menschlichen Pracht gegenüber. Allans Herz schien auszusetzen. Er war ihm wahrlich wie aus dem Gesicht geschnitten, doch zeichneten ihn tiefe Falten, seine linke Wange zierte eine lange Narbe - wie er sie schon in der Pfütze im Gebirge gesehen hatte. Sein Leben war anscheinend nicht so sorglos verlaufen wie das seine. Seine Haut war fahl und eingefallen, er wirkte viele Jahre älter als er es war. Mit erschrocken aufgerissenen Augen blickte er ihn an, dann schwankte sein Blick hinüber zur Maske. Er machte Anstalten, sie sich zu holen, doch hielt ihn Allans Schwert davon ab. Es legte sich direkt auf seine Kehle. Eine falsche Bewegung und es wäre aus mit ihm.
»Wage es bloß nicht ... Bruder!« Allan war über seine feste, bedrohende Stimme selbst überrascht, aber nur so würde er Nalla zeigen können, dass nun er der Überlegene war.
»Willst du mir den Kopf vom Hals abtrennen?«, fragte Nalla verachtend. Scheinbar hatte er nicht begriffen, dass er verloren hatte. »Dann landest du direkt in der Hölle.«
»Auch gut. Im Himmel kennt mich sowieso niemand.«
»Dann tu´ es! Tu´ es, Allan! Töte mich! Worauf wartest du?«
Sowohl Nalla als auch Allan wussten, dass er dies niemals übers Herz bringen würde. Im nächsten Moment wurde Allan jedoch bewusst, dass er Heravina nur so den Frieden wieder zurückbringen könnte. Er entschied sich für eine andere Möglichkeit. Ob sie funktionieren würde, wusste er nicht, doch musste er den Schritt wagen. Er hob das Schwert und stieß es mit all´ seiner Kraft in das Eis hinein. Er wartete einen Augenblick, dann sah er, wie das Eis einen Riss bekam, der sich immer mehr ausbreitete. Ehe sein Bruder realisieren konnte, was geschah, rutschte Allan zur Maske, schnappte sie sich und begab sich emsigen Schrittes zurück zum Steg. Nun ging es schnell. Der Riss im Eis verwandelte sich in einen großen Spalt. Nalla blickte an sich hinunter. Der Spalt führte zwischen seine Beine hindurch. Zeit, um auf eine Seite zu wechseln, blieb ihm nicht, denn die Insel brach rasant auf. Seine Beine spreizten sich, er konnte nur noch schwer das Gleichgewicht halten.
»Du mieser Bastard! Ich werde ...« Diesen Satz sprach er nicht zu Ende, denn im nächsten Moment hatte ihn auch schon das Meerwasser verschlungen. Allan sah, wie er immer wieder auftauchte und versuchte, auf die Insel zu kommen, doch schien es ihm wie Allan zu gehen, als er in der eisigen Kälte war.
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