Allan Quatermain
Vorankommen fast unmöglich zu machen. Es war uns sehr bald klar, daß wir das gastliche Haus des Reverend Mackenzie auf keinen Fall mehr vor Einbruch der Nacht erreichen würden – eine Aussicht, die alles andere als geeignet war, unsere Stimmung zu heben. Obwohl wir uns bis zur Erschöpfung verausgabten – mehr als eine Meile pro Stunde konnten wir beim besten Willen nicht schaffen. Wir rechneten damit, um fünf Uhr nachmittags (um diese Zeit würden wir alle völlig ermattet sein) noch immer ungefähr zehn Meilen unterhalb der Missionsstation zu sein. Wir mußten uns also wohl oder übel daran machen, die bestmögliche Lösung für das Übernachtungsproblem zu suchen. Nach unseren jüngsten Erlebnissen wagten wir nicht mehr, an Land zu gehen, insbesondere, da die Ufer des Tana an dieser Stelle mit dichtem Buschwerk bewachsen waren, welches eine vorzügliche Deckung für mindestens fünftausend Masai bot.
Ich bereitete mich innerlich schon wieder darauf vor, eine weitere Nacht in dem Kanu zu verbringen, als wir ein Stück stromaufwärts eine kleine, felsige Insel von ungefähr fünfzehn Yards im Quadrat erspähten, die fast in der Mitte des Flusses lag. Wir steuerten auf sie zu, zogen die Kanus ans Ufer, gingen an Land und versuchten es uns so bequem wie möglich zu machen, was unter den gegebenen Umständen nicht gerade leicht war. Das Wetter hatte sich um keinen Deut geändert, es war einfach abscheulich. Es goß wie aus Kübeln, und nach kurzer Zeit klapperten uns vor Kälte die Zähne. Ein Feuer anzuzünden war völlig unmöglich. Wenigstens ein Gutes hatte der Regen indessen: unsere Askari erklärten übereinstimmend, daß nichts auf der Welt die Masai dazu bringen konnte, uns bei diesem Wetter anzugreifen, da sie nichts so sehr haßten, wie im Nassen herumzulaufen, vielleicht – wie Good mutmaßte – weil sie den Gedanken an eine Wäsche nicht ausstehen können. Wir aßen etwas von dem faden, vom Regen durchweichten Fisch – mit Ausnahme von Umslopogaas, der, wie die meisten Zulus, keinen Fisch mag – und tranken einen Schluck Brandy, von dem wir glücklicherweise noch ein paar Flaschen hatten, und dann begann das, was mit einer einzigen Ausnahme – nämlich, als wir drei, Sir Henry, Good und ich, beinahe im Schnee des Sheba während unserer Reise nach Kukuanaland vor Kälte gestorben wären – die unangenehmste, qualvollste Nacht war, die ich je erlebt hatte. Sie schien endlos zu sein, und mehr als einmal hatte ich die Befürchtung zwei unserer Askari würden vor Nässe und Kälte erfrieren. Und in der Tat; hätte ich ihnen nicht in regelmäßigen Abständen ein wenig von dem Brandy eingeflößt, dann wären sie mit Sicherheit gestorben; kein Afrikaner kann Kälte lange ertragen. Erst läßt sie ihn erstarren und lähmt ihn, dann bringt sie ihn um. Ich sah deutlich, daß selbst der alte Eisenfresser Umslopogaas fürchterlich unter ihr litt. Im seltsamen Gegensatz zu den Askari jedoch, die ohne Unterlaß stöhnten und ihr Los bejammerten, ertrug er die Kälte, ohne auch nur einen einzigen Laut der Klage von sich zu geben. Zu allem Überfluß vernahmen wir gegen ein Uhr nachts wieder das unheilvolle Geheul der Eule, so daß wir uns auf der Stelle genötigt sahen, uns auf einen erneuten Angriff vorzubereiten. Ich glaube nicht, daß wir, wenn sie es tatsächlich versucht hätten, noch echten Widerstand hätten leisten können. Aber entweder war die Eule dieses Mal echt, oder die Masai fühlten sich selbst zu elend, um noch an eine Offensive zu denken – die sie nur äußerst selten, wenn überhaupt, im Buschland unternehmen; jedenfalls war von ihnen weit und breit nichts zu sehen.
Endlich, nach einer wahren Ewigkeit, glitt die Dämmerung über das Wasser, eingehüllt in geisterhaft anmutende Dunstschleier, und mit dem Heraufkommen des Tageslichts hörte der Regen auf. Und dann ging die wunderbare, herrliche Sonne auf, die den Schleier des Dunstes zerriß und die kalte Luft schnell aufwärmte. Benommen und aufs äußerste erschöpft rappelten wir uns auf und kamen taumelnd auf unseren Füßen zu stehen. Dankbar gaben wir uns den erquickenden Strahlen der Sonne hin. Ich kann sehr gut nachempfinden, warum primitive Völker zu Sonnenanbetern werden, insbesondere dann, wenn sie durch ihre Lebensumstände häufig der Kälte ausgeliefert sind.
Eine halbe Stunde später machten wir schon wieder schnelle Fahrt mit Hilfe eines frischen Windes. Unsere Lebensgeister waren mit dem Sonnenschein zurückgekehrt, und
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