Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
Vom Netzwerk:
und zitternden Knien ins Haus wankte. »Ich glaube kaum, daß er noch einmal seine Späße mit ›le monsieur noir‹ treiben wird.«
    »Ja«, antwortete ich, »mit Umslopogaas ist nicht gut Kirschen essen. Wenn man ihn reizt, dann ist er wie ein Rasender; und doch hat er auf seine Weise ein weiches Herz. Ich erinnere mich noch, wie er vor Jahren mal wochenlang ein krankes Kind gesundpflegte. Er ist schon ein eigenartiger Mensch, aber er ist treu wie Gold und eine ehrliche Haut, und wenn Gefahr droht, dann ist er eine Stütze von unschätzbarem Wert.«
    »Er sagt, er rieche Blut«, fuhr Mr. Mackenzie fort. »Ich will nur hoffen, daß er nicht recht behält. Ich beginne mir langsam große Sorgen wegen meiner Tochter zu machen. Sie muß sehr weit gegangen sein, sonst wäre sie schon längst wieder hier. Es ist schon halb vier.«
    Ich erinnerte ihn daran, daß Flossie doch Proviant mitgenommen hatte und auch, wenn alles glatt abliefe, nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu erwarten sei. Dabei machte ich mir längst selber große Sorgen und fürchtete, daß der Missionar nicht merken würde, wie wenig ich von dem, was ich gesagt hatte, überzeugt war.
    Kurz darauf kehrten die Männer zurück, die Mr. Mackenzie ausgesandt hatte, um nach Flossie zu suchen. Sie hatten wohl die Fährte des Esels ein paar Meilen verfolgen können, hatten sie dann jedoch auf steinigem Boden verloren und nicht wiederfinden können. Daraufhin hatten sie die ganze Umgebung der Stelle, an der die Spur aufhörte, durchkämmt, jedoch ohne Erfolg.
    Der Nachmittag schleppte sich träge dahin; die Stimmung war sehr gedrückt. Als allmählich die Abenddämmerung hereinbrach und von Flossie noch immer kein Lebenszeichen gekommen war, wuchs die Besorgnis fast ins Unerträgliche. Die arme Mutter schien von ihrer Furcht arg mitgenommen und machte einen äußerst niedergeschlagenen Eindruck. Der Vater indessen behielt einen bewundernswert kühlen Kopf. Alles, was getan werden konnte, wurde auch getan. In alle Himmelsrichtungen wurden erneut Späher ausgesandt; Schüsse wurden abgefeuert und der Ausguck auf dem großen Baum wurde nun ständig besetzt gehalten. Aber auch diese Maßnahmen fruchteten nichts.
    Die Nacht kam, und von der kleinen blonden Flossie war nach wie vor nichts zu sehen.
    Um acht Uhr aßen wir zu Abend. Es war ein trauriges Mahl, Mrs. Mackenzie war gar nicht bei Tisch erschienen. Wir drei schwiegen die ganze Zeit über; denn abgesehen von unserer natürlichen Sorge um das Verbleiben der kleinen Flossie lastete schwer das Gefühl auf uns, daß wir es waren, die unseren freundlichen Gastgeber in diese traurige Lage gebracht hatten. Kurz bevor das Essen beendet war, stand ich auf, entschuldigte mich und verließ die Tafel. Ich wollte nach draußen und die Situation überdenken. Ich ging auf die Veranda, zündete meine Pfeife an und setzte mich auf einen Stuhl, der etwa zwölf Fuß von der rechten Seite des Gebäudekomplexes entfernt stand, das heißt – der aufmerksame Leser wird sich gewiß daran erinnern – genau gegenüber einer der engen Türen des Schutzwalles, der das Haus und den Blumengarten umschloß. Ich hatte etwa sechs oder sieben Minuten dort gesessen, als ich glaubte, das Geräusch einer sich öffnenden oder schließenden Tür wahrzunehmen. Ich schaute angestrengt in die Richtung der Tür und horchte, aber da sich nichts tat, war ich ziemlich sicher, mich getäuscht zu haben. Es war stockfinster; der Mond war noch nicht aufgegangen.
    Eine Minute war verstrichen, als plötzlich etwas Rundes mit einem weichen, dumpfen Aufschlag auf den Steinfußboden der Veranda fiel und an mir vorbeikullerte.
    Ich blieb einen Moment lang regungslos sitzen und überlegte, was das Ding sein konnte. Ich kam schließlich zu dem Ergebnis, daß es sich um ein Tier handeln müsse. Da schoß mir mit einem Mal ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf, und ich sprang mit einem Satz auf. Das runde Ding lag nur ein paar Schritte von mir entfernt regungslos auf dem Boden. Ich streckte meine Hand danach aus; es rührte sich nicht. Ein Tier war es also ganz eindeutig nicht. Ich berührte es vorsichtig mit der Hand. Es fühlte sich weich und warm an. Hastig hob ich es hoch und hielt es gegen das matte Licht der Sterne.
    Es war ein frisch abgetrennter Menschenkopf!
    Ich bin ein alter Haudegen und nicht mehr so leicht aus der Fassung zu bringen, aber ich gestehe freimütig, daß mir übel wurde beim Anblick dieses grausigen Fundes. Wie war der Kopf hierhergelangt?

Weitere Kostenlose Bücher