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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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eigenen Trost, daß man nach der Trennung alles wieder gutmachen werde. Auf Lebensdauer verkauft. Hätte ich eine wilde Weigerung inszenieren sollen, abwarten, ob die Käufer oder der kranke Züchter ihn mit Polizeigewalt abholen lassen, einfach das Richtige nach Hundeglauben tun sollen? Aber man benimmt sich nicht gern verrückt. Man ist angepaßt . Lieber läßt man einen Hund im Stich.
    Allmählich besänftigten mich die Berge. Das Richtige ist wohl, sich mit kleinen Wiedergutmachungen zu begnügen. Mel spazierenzuführen , ihn als Feriengast zu beherbergen, allgemein für Hunde zu tun, was sich ergibt. Man wird dann reizend gefunden, das kenne ich; in Wahrheit weiß man nur etwas trauriger als andre, wieviel wir abzutragen haben.
    Ich kam um neun Uhr abends nach Hause, ziemlich verblödet vom Motorgebrumm. Um halb zehn Telefon. Wer? Ach, Sie? Die Allawa-Besitzersgattin fragte, wann ich meinen Hund holen wolle, sie versuchten schon seit Tagen, mich zu erreichen. »Ja aber — aber Ihr Mann hat doch gesagt, daß er verkauft ist ?«
    »Ihrer? Nein, da haben Sie sicher etwas falsch verstanden. Wir warten immer, daß Sie ihn holen .«
    Um Gotteswillen, dachte ich, nur keine Frage mehr, sofort das Heu einbringen, solang die Lüge scheint. »Morgen früh gegen acht ?« sagte ich.
    Was auch dahinterstecken mochte, morgen früh würde ich ihn wegtragen. Vielleicht hatte er einen Sturz getan oder war krank. Hauptsache, daß wir zusammen sind.
    Die Kirchenuhren schlugen die Viertelstunden in endlosen Stundenabständen; hätte man nur auch für Terminarbeiten so lange Nächte. Herzklopfen wie in unsinnigsten Zeiten. Das ganze vergangene Jahr umtanzte mich, bis es endlich fünf Uhr war: die wunderbare Hündin, nein, doch nicht, das Engländerchen, nein, keines, Allawa, nichts mit Allawa, Mel gerettet, Mel verloren, doch wieder Allawa.

    Um Viertel vor acht hielt ich dem Mann vier Banknoten hin, die er sorgfältig zählte. Das Absurde des Bezahlens wurde mir bewußter denn je: künstlerische Leistungen sind unbezahlbar, Hilfeleistungen und treue Dienste ebenso, und Kaufgeld für eine Seele setzt all diesen Mißverhältnissen die Krone auf. Aber Ernst beiseite, jetzt kommt es nur darauf an, mit meiner Beute zu entfliehen.
    Allawa begrüßte mich etwas zu sanft für einen normalen Welpen; immerhin freute er sich eindeutig und legte ganz selbstverständlich das Kinn auf meinen Arm, als ich ihn aufhob. Schweres Paket, nach Stall und Fell riechend. Neben dem Steuer rollte er sich ruhig zusammen. Ab und zu sah er mich halb sinnend, halb prüfend an. Ich sagte dann irgendwelchen Unsinn: »Ja, schau nur, ich bin dein Gesicht — jaa , jetzt bist du daa , Allawa «, worauf er zu nicken schien, den Kopf hinlegte, das Maul faltete, die dunklen Schlappohren fromm hängen ließ und einschlief. Süßer Friede um uns.
    Und auch Sorge. Warum hatten ihn die Besitzer oder der angebliche Käufer plötzlich freigegeben? Wie überhaupt würde sich die schreckliche Inzucht auswirken? In irgendeinem Defekt sicher. Seine Nerven schienen gut zu sein, soweit sich das schon beurteilen ließ.
    Zu Hause betrachtete ich ihn gründlicher. Rachitische Gelenke, Vorderpfoten sinken rückwärts ein, verdickte Rippenenden, der sogenannte Rosenkranz. Mit Sonne, vorerst wenig Bewegung, Kalk- und Vitaminzufuhr bringt man das weg. Sehr mager; sehr dicker Bauch; weißes Zahnfleisch mit roten Rändern; stumpfes Fell, gerötete Augäpfel, merkwürdiger Maulgeruch — alles nur Aufzuchtschäden, und er hat wohl Würmer. Schwanz gelähmt, kann nicht wedeln, das ist schlimmer, vielleicht stimmt auch etwas mit der Nachhand nicht, daß er so schaukelnd geht.
    Ich wollte ihn gleich fotografieren, drückte die Hand an seine Hühnerbrust, sagte »Bleib« und trat drei Meter zurück. Er sah mir aufmerksam in die Augen und blieb stehen, dann sitzen, genau wie Primus.

    Genau wie Primus knurrte er auch, als ich am ersten Abend nach seinem Kalbsknochen griff. Damals war ich harmlos gewesen und daher wütend geworden, jetzt machte ich die Probe absichtlich und reagierte rein pädagogisch. Ich packte ruhig, wenn auch energisch sein Nackenfell: »Du, was fällt dir ein! Nein. Nein.« Mit der andern Hand nahm ich den Knochen weg, begutachtete ihn angeblich, legte ihn wieder hin, »Ja, ist gut .« Nach fünf Minuten noch einmal. »Aus, gib her .« Er widersprach nicht mehr, nur ein mitleidiger Blick, sind Sie nicht etwas zu pedantisch, oder wo fehlt es Ihnen sonst? Ich war neugierig,

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