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Alle auf Anfang - Roman

Alle auf Anfang - Roman

Titel: Alle auf Anfang - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Zaplin
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Erfolg.
    »Schick sie heim«, sagte Frank zu Heike. Und einen kurzen, fürchterlichen Augenblick lang glaubte Claudia, sie wäre gemeint.
Urs fährt aus der Klinik heim
    Auf dem Besucherparkplatz steht der alte Benz mittlerweile zwischen einigen anderen Autos. Natürlich ist er sich darüber im Klaren, nicht der Einzige zu sein, der um vier Uhr morgens bei einem Notfallangehörigen in der Klinik ist. Kurz überlegt er, ob das Wort Notfallangehöriger nicht viel mehr auf ihn als auf Claudia zutrifft, ob aber nicht andererseits das Wort Notfall ohnehin unpassend für einen verunglückten Menschen wäre, und als all seine Überlegungen immer wieder bei dem Bild der vielen mit Claudia verbundenen Apparate hängen bleiben, da lässt er endlich den Motor an.
    Einen kurzen, entsetzlichen Moment lang glaubt er, das Fahren verlernt zu haben. Die Hände sind feucht, seine Knie zittern. Er ist nicht in der Lage, das Gaspedal zu treten. Ob sie ihm das Autowrack zeigen werden? Ob er das durchstehen würde? Er lässt das Lenkrad los, zwingt sich, tief durchzuatmen, und dann versucht er es noch einmal: Rückwärtsgang einlegen, langsam die Kupplung kommen lassen, Gas geben. In kleinen Hopsern bewegt der Wagen sich rückwärts. Urs zwingt sich zur Konzentration. Gewiss kann er noch immer Auto fahren, sagt er sich. Besser, er denkt nicht darüber nach und vollzieht diese einfachen Bewegungen wie immer seit fünfundzwanzig Jahren. Fünfundzwanzig Jahre unfallfrei, denkt er und legt den ersten Gang ein. Das gilt für Claudia seit heute Nacht nicht mehr. Obwohl sie keine Schuld hat, da ist er sicher. Laut Unfallbericht ist sie aus bisher ungeklärter Ursache gegen den Brückenpfeiler gerast, aber es muss eine Ursache gegeben haben. Seine Frau tut nichts ohne Grund. So wie an seinem letzten Geburtstag. Sie hatte gar nichts vorbereitet, keinen Kuchen, kein Abendessen, und als er seine Enttäuschung schon fast nicht mehr verbergen konnte, klingelte es, und die Freunde standen vor der Tür. Surprise Party, hat Claudia gestrahlt, und nach kurzem Zögern hat er sich doch gefreut. Obwohl er Überraschungen nicht mag. Jetzt kratzt es ihm im Hals beim Gedanken an diese so wunderbar heitere Überraschung.
    Immerhin, er fährt jetzt wieder ganz wie sonst, beinahe, ein bisschen zittriger vielleicht. Er schluckt zweimal, dreimal. Es ist noch immer nachtdunkel. Die Straßenbeleuchtung ist eingeschaltet. Auf der Hauptstraße begegnen ihm andere Autos, in denen auch immer nur der Fahrer allein sitzt. Das sind also die Menschen, die jetzt auf dem Weg zur Arbeit sind. Um vier Uhr morgens. Wie grausam. Wie beneidenswert. Was für einen wunderbar normalen Tag sie vor sich haben.
    An der Ampel wirft er einen Blick in das Fahrzeug, das neben ihm steht. Ein Mann sitzt am Steuer, er sieht ausgeschlafen und gut gelaunt aus. Sofort wendet Urs den Blick wieder ab. Bis eben hatte er vor, im Büro anzurufen und sich für heute beurlauben zu lassen. Jetzt ist er nicht mehr sicher, ob das eine gute Idee ist. Ob er nicht besser so tun soll, als wäre alles wie immer. Für die Kleine würde es ohnehin das Beste sein. Er würde sie in den Kindergarten bringen, der Nachbarin Bescheid geben, und dann würde er zur Arbeit fahren. Alles würde einfach ablaufen. So, wie es immer gewesen ist. Als wäre gar nichts passiert. Wie er sich sehnt nach diesem Wieesimmergewesenist. Wie er das jetzt schon vermisst. Die Ampel springt auf Grün. Das Fahrzeug neben ihm fährt sofort los.
    Bald schon liegt die Kreisstadt hinter Urs. Er meidet die Autobahn. Ist kurz versucht, das Radio einzuschalten, meidet auch dies. Als er schon beinahe zu Hause ist, führt sein Weg an einem Buswartehäuschen vorbei. Aus dem Augenwinkel bemerkt er ein Bündel auf der Bank. Es ist unglaublich, denkt er, wo die Leute überall ihre Sachen liegen lassen.
Claudia
    Sieht das kleine Mädchen. Das nach ihr sucht. Ich bin doch hier, will sie sagen. Aber das kleine Mädchen hört sie nicht. Mit seinen kleinen Händen tastet es die Wand entlang. Sucht mit den Füßchen den Weg. Steht vor dem leeren Ehebett und sucht in den Kissen. Aber ich bin doch hier, will sie dem Kind zurufen. Tonlos bleibt der Ruf. Ungehört. War niemand mehr auf der Welt. Traurig geht das Kind aus dem leeren Zimmer durch das ganze leere Haus. Tapst die Treppe hinab, durch die Küche, das Wohnzimmer bis hinaus in den leeren dunklen Garten. Warte, mein kleines Mädchen, so hör mich doch. Es hört aber nicht. Streckt ängstlich die Hände in

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