Alle Familien sind verkorkst
vierzig Jahre lang eins der Hauptziele für mögliche Atomangriffe. Das ist sie vermutlich immer noch.«
Janet folgte ihnen. Faszinierend. Einfach faszinierend, das alles. Sie gingen die schwach beleuchtete, nach Beton riechende Treppe hinunter. An ihrem Ende stießen sie auf eine weitere Stahltür.
Wade sagte: »Na, wenn das nicht kurios ist. Wir gehen rein.«
»Sie ist abgeschlossen. Ich hab's schon versucht«, sagte Shw.
»Die reinste Hobbydetektivin, was?« Wade zog seinen Schlüsselbund hervor und stocherte mit einem der Schlüssel in dem Schloss herum; innerhalb weniger Sekunden war die Tür offen. Er legte gleich dahinter einen Lichtschalter um, und die drei traten ein. Drinnen stand ein Gebärstuhl, einsam und kalt wie die Apparatur zur Verabreichung der Todesspritze in einem Gefängnis in Mississippi - offenbar sollte hier eine Hausgeburt stattfinden. An der Wand hinter dem Stuhl fand sich ein ganzes Arsenal von medizinischen Instrumenten aus Edelstahl, Handschellen und Ledergurte. Zur Rechten sahen die drei hinter einem Tierkäfiggitter aus Stahl ein komplettes kitschig eingerichtetes, in Rosatönen gehaltenes Schlafzimmer für eine Person.
Keiner von ihnen sagte ein Wort. Nach einer flüchtigen Besichtigung eilten sie hinauf in den Hausflur. Gayle rief: »Haben Sie das Bad gefunden, Janet?«
»Ja. Sie haben wirklich ein reizendes Haus. Es verrät Geschmack und Sinn für Ästhetik. Und außerdem ist es sehr elegant. Wer ist für die Inneneinrichtung verantwortlich Sie oder Lloyd?«
»Lloyd würde ich nicht mal in die Nähe einer Farbmusterkarte lassen. Er würde Schulbusgelb oder Irrenanstaltgrün aussuchen, und dann könnten wir ebenso gut in einem Trailerpark wohnen und Frühstücksfleisch rösten, auf dem Ananasringe mit Zahnstochern festgesteckt sind.«
»Was für eine anschauliche Analogie.«
»Sie haben hier vierhundert Quadratmeter Gayle vor sich.« Sie drehte sich zu Shw um. »Emily, komm ins Wohnzimmer. Ich hab deinen Brief an mich im Kofferraum des Wagens gefunden - wie aufmerksam von dir. Ich dachte, wir könnten ihn jetzt als eine Art Zeremonie zur Besiegelung unseres Bundes öffnen.« »Einen Brief?«
Sie ist nicht blöd. Und sie weiß, dass sie jetzt auf uns angewiesen ist. Janet nahm Shws Arm. »Ja, Schatz, du hast mir doch davon erzählt. Wirklich eine großzügige Geste.«
»Ach der. Natürlich.«
Sie gingen ins Wohnzimmer. Janet sagte: »Ted ... Bryan ... Gayle wird uns einen Brief von Emily vorlesen.« »Brief?« Die Männer horchten auf.
Gayle plapperte weiter: »Emily, du kluges Ding. Du hast ihn sogar zwischen zwei Plastikscheiben gesteckt, damit er nicht schmutzig wird. Und du hast ›Mummy ‹ draufgeschrieben - auch ich habe meine Mutter so genannt.«
»Mir liegt sehr viel an diesem Brief«, sagte Shw, woraufhin neben Ted am anderen Ende des Zimmers ein ohrenbetäubendes Krachen ertönte; er hatte eine Gazellenstatue aus massivem Messing auf ein gläsernes Beistelltischchen fallen lassen. Der Krach verfehlte die beabsichtigte Wirkung nicht. Gayle ließ den Brief los, und Janet stürzte sich darauf. Gayle stürmte zu Ted hinüber, kurz davor, hysterisch zu werden. »Ich habe diesen Tisch zum Ladenpreis gekauft.«
»Kann ja kein so toller Tisch sein, wenn man nicht mal ein kleines Stück Messing draufstellen kann.«
»Er ist ruiniert.«
Ted betrachtete die Scherben und sagte: »Ich glaube, das Bein der Gazelle sieht auch verbogen aus«, woraufhin Gayle einen weiteren Anfall bekam; Lloyd ging zu ihr, um sie zu trösten, und auf die anderen achtete niemand mehr.
Wade griff sich eine Briefattrappe aus Janets Handtasche und warf sie ihr zu, doch aus Versehen erwischte er zwei, die aneinander klebten; sie fing beide auf.
Dann nahm Janet den echten Brief aus der Hülle, malte mit ihrem Stift einen blauen Punkt auf die rechte obere Ecke, schleuderte ihn zu Wade hinüber und steckte einen gefälschten Brief zwischen die Plastikscheiben. Es ging alles blitzschnell. Die überschüssige Attrappe schob sie unter das Sitzpolster der Couch.
Gayle machte sich wie eine Glucke mit Staubsauger, Papiertüten und einem Besen zu schaffen, während Bryan, der auch etwas zu dieser konzertierten Familienaktion beitragen wollte, seine Sektflöte umstieß, um Janet und Wade noch ein bisschen mehr Zeit zu verschaffen.
Janet sagte: »Keine Sorge, Gayle, das wird schon wieder.« Die Situation entspannte sich, obwohl Gayles anfängliche Freundlichkeit messbar fadenscheinig geworden war.
Janet
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