Alle Familien sind verkorkst
abholen. Ich bin gleich wieder zurück.«
Steven begann einen Teller Essen nach dem anderen zu bringen, und als der Tisch voll war, stellte er einen zweiten daneben. Die meisten Gerichte wirkten eher abstoßend auf Janet - ein Caesar's Salad voller Ekzeme, grauer, sich bereits zersetzender Mahi-Mahi-Fisch; schwarz verfärbte Klumpen ... Schwein; Pasta, die aussahen wie mit Schnürsenkeln zusammengerührte Gummibänder. Als Steve alle Gerichte aufgetragen hatte, pustete er theatralisch seine Stirnlocke hoch. »Ich hab was vergessen - Moment, ja -« Er nahm eine Pfeffermühle in die Hand. »Pfeffer?«
»Nein danke, mein Lieber.«
»Ich lass die Mühle lieber hier. Für alle Fälle.«
Janet musterte die groteske Essenslandschaft vor ihrer Nase und schaute dann hoch, um Florian mit einer außergewöhnlich großen, tintenschwarzen, in leuchtend bunte, schamlos teure Designerklamotten - Gucci? Hermes? - gekleideten Frau im Schlepptau durch die Tür treten zu sehen. Ihre Finger, ihr Hals und ihre Ohren waren gescheckt von den Lichtreflexen ihres klobigen Goldschmucks. Janet hatte noch nie eine Frau gesehen, die so viele teure Teile auf einmal trug. Es war so protzig, dass es geradezu illegal wirkte. Janet war wie hypnotisiert, als die beiden sich dem Tisch näherten. Den übrigen Gästen ging es nicht anders.
»Janet, ich würde Ihnen gern Cissy Ntombe vorstellen.«
Janet stand auf. Ihr fehlten die Worte. »Hallo.«
Cissy sagte: »Sehr erfreut.« Sie setzte sich Janet gegenüber auf die Bank und fragte: »Was führt Sie in diesen Teil der Welt, meine Liebe?«
Janet kam sich vor wie ein Bauerntrampel. »Familiengeschäfte, könnte man sagen.«
»Wie reizend.« Cissy entfaltete eine Serviette in ihrem Schoß.
Janet fragte: »Und Sie?«
»Ich bin ebenfalls geschäftlich hier«, sagte Cissy. »Aber nicht aus familiären Gründen. Ich fürchte, von meiner Familie sind alle tot, meine Liebe.«
»Großer Gott - wie furchtbar.«
»Ihr Mitgefühl ehrt Sie, aber ich habe so viel getrauert, dass meine Tränen nun versiegt sind.« Sie betrachtete die Speisen, die vor ihr auf dem Tisch standen. Florian machte den Eindruck, als sei er gespannt auf ihre Reaktion, welche lautete: »Florian, wir werden Zitronenschnitzel benötigen. Ich kann keine entdecken.«
Sie sah Janet an. »Fisch ohne Zitrone ist ein Unding. Finden Sie nicht auch?« »Absolut.«
»Dieses Restaurant ist nicht annähernd so vornehm wie das gestern Abend in Atlanta, aber ich schätze, damit ist zu rechnen, wenn man sich auf dem Lande verlustiert.«
Florian genoss Janets Verblüffung angesichts dieses exotischen und etwas altmodisch klingenden neuen Gasts. Janet warf ihm einen Wer-ist-diese-Person? '-Blick zu, aber er gestikulierte bloß in Richtung Essen und sagte: »Das ist alles für dich, Cissy, Liebes - hau rein.«
»Wie ich schon sagte, zuerst benötige ich Zitronenschnitze, mein Schatz.«
Florian machte sich auf die Suche. Cissy fragte Janet: »Sprechen Sie zufälligerweise Französisch?«
»Ich? Ein bisschen. Ich komme aus Kanada, da wächst man zweispr-«
»Ach du liebes bisschen - kanadisches Französisch? Wie man hört, ist das eine gar absonderliche Variante des Pariser Zungenschlags.«
»Ich schätze, mein Französisch ist ein bisschen eingerostet.« Janet durchwühlte ihr Hirn nach Gesprächsthemen, ohne welche zu finden. Außerdem ärgerte es sie, dass sie nicht wusste, welche Rolle Cissy in Florians Leben spielte. »Bestellt Florian immer zu viel zu essen?«
»Das kann ich nicht sagen, Janet. Ich kenne ihn erst seit zwei Tagen.«
Das ist doch verrückt. »Was Sie da anhaben, ist umwerfend. Hermes?«
»Das ist Versace, meine Liebe.«
Schweigen.
Mehr Schweigen.
Cissy fragte Janet: »Haben Sie in letzter Zeit irgendwelche guten Bücher gelesen?«
»Bücher?« Die Frage traf Janet unvorbereitet. »Lassen Sie mich nachdenken - ich lese vor allem Zeitungen und Maga zine. Und die Bücher, die ich lese, handeln meistens von Gesundheit und Ernährung. Tut mir Leid, dass ich nicht mehr zu bieten habe. Und Sie, Cissy?«
»Ich habe vor kurzem mal wieder mein ewiges Lieblingsbuch gelesen.«
»Welches ist das?«, fragte Janet.
»Anstand und Betragen in der kultivierten Gesellschaft, von Miss Lydia Millrod.« »Ist das ein neues Buch?«
»Nein! Himmel, nein, meine Liebe. Es ist 1913 erschienen, kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Aber sein klassischer Charakter bewahrt es vor dem Schicksal zu veralten.«
»Verstehe.«
Florian kehrte mit einem
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