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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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zusammen mit einem sechsten, der sich beteiligt hatte, vierzehn Tage später gehängt - als Beispiel für die übrigen.
    So verging wieder ein Monat, und John Mulligan, der nur selten mit irgendeinem seiner Kameraden gemeinsame Sache machte, weil er keinen von ihnen kannte, arbeitete fleißiger denn je, betrug sich dabei bescheiden gegen die Wächter und war, mit einem Wort, das Muster eines Kettengefangenen, den man den übrigen fortwährend als Vorbild hinstellte. - Aber hätten sie nur sein Herz sehen, nur die Gedanken lesen können, die Tag und Nacht in seinem Hirn brannten und ihn fast zur Verzweiflung trieben!
    Freiheit! - Freiheit! Das war das einzige Gefühl, das ihn noch am Leben hielt, das ihm Herz und Seele erfüllte, und wenn er nicht schon lange einen Versuch gemacht hatte, dies höchste Gut wieder zu erringen, trugen die Schuld nur seine Vorsicht und Schlauheit, die nicht zugaben, daß er sich in ein nur halbwegs unsicheres Unternehmen einließ. Er wußte, welche Strafe seiner diesmal wartete, sobald es mißlang, und selbst der Gefahr durfte er sich nicht aussetzen.
    Dadurch übrigens, daß er mit fast allen seinen Mitgefangenen verfeindet war, gewann er sich mehr und mehr das Vertrauen der Aufseher, und es geschah jetzt schon gar nicht selten, daß John Mulligan da oder dort die Aufsicht über die Arbeit irgendeiner kleinen Abteilung der Kameraden übergeben wurde. Allerdings trug er deshalb nicht leichter an Kette und Kugel, und er war ebenso wie alle anderen von den scharfgeladenen Gewehren der Wache bedroht, aber es zeigte doch, daß die Wächter sein Bestreben, sich gut zu betragen, anerkannten, während es die Mitgefangenen nur noch immer mehr von ihm entfernte.
    Natürlich spotteten diese über ihn. »Gentleman John«, hieß es, »wird nächstens eine blaue Jacke mit blanken Knöpfen bekommen und lieb Kind beim Leutnant werden. Zum Teufel mit dem Schuft, und uns hat er vorgelogen, daß er auf der Känguruh-Insel der Anführer einer ganzen Bande Buschranger gewesen wäre.«
    John Mulligan hörte es und achtete nicht darauf.
    Nur ein einziger von allen schien sich mit John befreundet zu haben, und das war ein Irländer, dessen brandrote Haare ihm den Beinamen Rotkopf verschafft hatten. Überhaupt wurde fast keiner der Sträflinge von den Mitgefangenen bei seinem wirklichen Namen genannt, weil sich sonst niemand aus den ewigen Jacks und Johns und Jims herausgefunden hätte.
    Rotkopf aß mit Gentleman John aus einer Schüssel, und so häufig ihn sonst die Peitsche der Wächter, besonders seiner bösen Zunge wegen, getroffen hatte, so war jetzt, seit er mit John Mulligan näher befreundet war, eine auffallende Besserung bei ihm eingetreten.
    Natürlich schrieben die Beamten das einzig und allein dem wohltätigen Einfluß zu, den John auf ihn ausübte, und dieser stieg dadurch nur noch mehr in ihrer Achtung.
    Das ging eine Weile so fort, bis der Oberwächter, unter dessen Aufsicht sie bis jetzt gestanden, abberufen wurde, irgendeine andere Stellung auszufüllen. An seiner Statt trat ein Schotte ein, der, von einer anderen Gruppe hierher versetzt, die Überzeugung mitbrachte, an Kettengefangenen sei jedes Wort verschwendet, und man tue am besten, sich, wie bei eingeschirrten Stieren, nur durch die Peitsche mit ihnen zu unterhalten.
    John Mulligan oder Gentleman John, wie er jetzt allgemein hieß, arbeitete heute mit Rotkopf zusammen an einem mächtigen Stringybarkbaum, der mitten in dem ausgesteckten Weg stand und deshalb gefällt werden sollte. Sechs oder acht ihrer Kameraden mühten sich ein kleines Stück weiter unten mit Brecheisen ab, einen riesigen Felsblock von der Stelle zu rücken, den sie in der halben Zeit mit Pulver hätten sprengen und beseitigen können.
    Um sie her, mit geladenen Gewehren, standen die dazu bestimmten Polizeisoldaten, und der neue Oberwächter, statt des Spazierstocks eine tüchtige Knute von ungegerbtem Leder in der Hand, ging von Gruppe zu Gruppe, um die Lässigen nur durch seine Gegenwart schon zu äußerster Anstrengung anzutreiben.
    In diesem Augenblick stand er bei denen, die an dem Stein wühlten, nichtsdestoweniger den Blick nach allen Seiten werfend.
    »Du, John, ich halte es jetzt nicht länger aus. Deinem Zureden nach hab ich mich gestellt, als ob ich unterduckte, und von Tag zu Tag hast du mir versprochen, daß wir ausbrechen würden. Ich hab immer noch auf dich gewartet, nun ist's aber vorbei, denn mit dem neuen Burschen als Wächter und Einpeitscher will ich

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