Alle jagen John Mulligan
in die Karten gesehen hat.«
»Dort kommt jemand den Hang herunter«, flüsterte Tolmer, der durch einen Spalt der Wand, hinter der er versteckt lag, die offene Höhe vor sich übersehen konnte.
»Das ist er«, flüsterte Rotkopf, fast unwillkürlich zusammenfahrend, »geht es, fangen wir ihn lebendig, riecht er aber Lunte, dann haltet ihm nur um Gottes willen sicher auf den Bug, wir sind sonst beide verloren.«
»Fürchtet Ihr ihn?« fragte Tolmer spöttisch.
»Fürchten?« brummte der Buschranger ärgerlich in den Bart, »wenn Ihr, wie ich, Zeuge gewesen wäret, wie der Mann da - doch das ist vorbei«, brach er kurz ab, »und zum Plaudern keine Zeit mehr. Habt jetzt acht - es gibt kaum einen stärkeren und wahrhaftig keinen schlaueren und verwegeneren Burschen in sämtlichen Kolonien als den, der da so sorglos den Hügel herab in sein Verderben geht - und jetzt kein Wort mehr. Er hat ein Auge wie ein Falke und ein Ohr so scharf wie ein Känguruh - macht Euch fertig.«
Rotkopf hatte ganz recht; es gab wohl kaum einen schlaueren und verwegeneren Verbrecher innerhalb wie außerhalb der Kolonien als diesen Gentleman John, der jetzt gerade im Begriff stand, mit einem von seinem Raub angekauften Schiff die Kolonien zu verlassen, um jedenfalls sein Unwesen in irgendeinem anderen Land aufs neue zu beginnen.
So glücklich und erfolgreich er aber bis jetzt - jedes Mittel gutheißend, das ihn seinem Ziel entgegenführte - diesen einen Zweck verfolgt hatte, so sollte er sich plötzlich aus seiner geträumten Sicherheit aufgerüttelt und der früheren Verfolgung preisgegeben sehen. Sein Leutnant Rotkopf hatte ihn allerdings nur zu gut durchschaut; Gentleman John war seiner überdrüssig und wollte mit den Ausgewählten seiner Schar so rasch wie möglich die Känguruh-Insel verlassen. Was aus den Kameraden, von denen sich ein großer Teil erst hier zu ihm gefunden hatte, würde, kümmerte ihn nicht. Auf diesen Abend noch war die Abfahrt bestimmt. Der Schoner lag, mit Proviant und Wasser versehen, vor seinem Wurfanker, und Mr. Bloome, der Siedler, ahnte nicht, welch gefährlichem Kompagnon er einen großen Teil seines Eigentums im Begriff war anzuvertrauen.
Nur um seinen bisherigen Leutnant zu beruhigen und die kurze Frist zu gewinnen, in der dieser mit der erhaltenen Munition zu den übrigen zurückkehren würde, hatte er sich dazu verstanden, ihm das Verlangte zu überbringen. Durfte er ja doch auch keinem seiner anderen Leute trauen, die, mit Rotkopf allein gelassen, vielleicht gar gemeinschaftliche Sache mit ihm gemacht hätten.
Daß ihm die Polizei schon auf der Fährte sei, ahnte er allerdings nicht, trotzdem näherte er sich nur mit äußerster Vorsicht dem Hause, vor dem er schon aus der Ferne seinen Leutnant erkannte. Er trug sein Gewehr in der Hand und die versprochene Munition in einer umgeschnallten Tasche und hing sich die bereitgehaltene Waffe erst über die Schulter, als er Rotkopf völlig unbewaffnet ihn erwarten sah. Nur daß dieser ruhig vor dem Hause sitzen blieb und ihm nicht entgegenkam, erregte wieder seinen rasch geweckten Verdacht.
»Nun, Kamerad«, rief er ihn an, indem er, etwa fünfzig Schritt vom Haus entfernt, haltmachte, seine Tasche auf den Boden warf und, das Gewehr im Arm, daneben stehenblieb, »da bin ich. Aber Ihr scheint es verdammt kaltblütig zu nehmen. Hier ist Euer Pulver und Blei, das mir schwer genug geworden ist - ich dächte, Ihr könntet's die übrige Strecke selbst tragen.«
»Dank Euch, Kapitän«, rief Rotkopf, der ihn gern näher am Haus gehabt hätte, indem er jetzt von seinem Sitz aufstand und langsam auf ihn zuging, »ich wußte am Anfang gar nicht, ob Ihr's wäret. Aber kommt herein - ich habe ein Feuer drinnen angemacht und ein Stück saftiges Känguruh daran stecken - oder habt Ihr keinen Hunger?«
Gentleman John horchte auf - sein scharfes Ohr hatte das Knacken eines Hahnes - ein ihm nur zu wohlbekannter Laut - gehört, und im Nu erkannte er die Gefahr, in der er sich befand.
»Hunger?« rief er zurück, »gewiß. Ich bin vor dem Frühstück vom Haus fortgegangen, und Euer Känguruh soll mir vortrefflich schmecken. Ist sonst noch jemand bei Euch?«
»Keine Seele«, erwiderte Rotkopf, indem er zu ihm trat und dann langsam auf die am Boden liegende Tasche zuschritt.
»Gut - so nehmt Euer Pulver und Blei mit zum Haus«, sagte der Kapitän, indem er sich so stellte, daß er den Leutnant fortwährend zwischen sich und dem vermuteten Hinterhalt behielt. »Ihr hättet
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