Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
ihr die Schläfe damit gerieben und ein paar Tropfen eingegeben waren, erholte sich bald genug, sich aufzurichten.
    Erstaunt sah sie sich inmitten der vielen fremden weißen Männer, und ihr erstes Gefühl war, in den Busch zu fliehen, um ihnen zu entgehen. Tolmer aber trat ihr in den Weg und sagte freundlich:
    »Fürchte nichts von uns. Wir wollen das Land nur von denen säubern, die Haß und Feindschaft zwischen schwarzen und weißen Stämmen säen, von Raub leben und von Blut sich nähren. Weißt du, wen ich meine?«
    Das Weib sah ihn mit großen, stieren Augen an und rief:
    »Ihr sucht Gentleman John!«
    »Allerdings«, sagte Tolmer rasch, »weißt du, wo er ist?«
    »Fluch ihm!« rief da Lloko, während die Erinnerung an die erlittene Schmach das Blut in ihre dunkle Schläfe jagte, »er hat mich geschlagen, und die Hand möge sein Gott dort oben verdorren lassen, die gegen meine arme Schläfe traf.«
    »Das soll unsere Sorge sein, ihm das zu besorgen«, sagte lachend Borris. »Hier auf der Insel haben wir ihn sicher, und er kann uns nicht entgehen.«
    »Und wißt Ihr, wo Ihr ihn findet?« fragte da Lloko plötzlich, während ihr Blick rasch und forschend von einem der Männer zum anderen flog.
    »Ich denke ja«, erwiderte Tolmer, »er wird wohl wieder zu seinen Freunden am Torrensberg geflohen sein.« »Freunden?« rief Lloko, verächtlich den Kopf zurückwerfend. »Der Verräter hat keinen Freund, seit er Lloko geschlagen. Kommt - kommt!« rief sie plötzlich, sich gewaltsam emporraffend und den Arm Tolmers ergreifend, »ich will Euch führen. Wie ein Dingo auf der Fährte des speergetroffenen Känguruhs, so will ich an seinen Schritten hängen. - Kommt - er hat mich geschlagen - der Kopf brennt mir, wo mich seine Hand traf - wenn der Schmerz nachläßt, hab ich die Rache vielleicht vergessen.«
    Ihren Mantel dabei fester um sich schlagend, drückte sie die ihr nächststehenden Männer zurück, dort, wo Gentleman John vorbeigesprungen war, die frischen Spuren wieder aufzufinden.
    Borris hielt es nun freilich für bedenklich, der Führung einer Australierin zu vertrauen, die sie ebensogut zum besten haben konnte. Tolmer aber kannte die Australier besser. Er begriff, welche Leidenschaft in diesem Augenblick in dem Herzen dieses Weibes wühlte, und bedachte sich keinen Augenblick, den ihrem Zweck günstigen Moment zu benutzen.
    Lloko hatte indessen trotz des trockenen Bodens und darauf verstreuten dürren Laubes die Spuren der beiden Männer rasch aufgefunden und folgte ihnen, ohne sich nach den Weißen auch nur weiter umzusehen. Diese waren indessen durch den größten Teil des letzten Trupps der Polizeisoldaten noch verstärkt worden, da der seeuntüchtig gemachte Schoner den etwa am Strand befindlichen Verbrechern keinen Weg zur Flucht mehr bot, und nur erst, als Lloko an dem Pfad vorbeieilte, der, wie Tolmer recht gut wußte, zu dem Versteck am Torrensberg hinführte, hielt er es für nötig, ihre Führerin darauf aufmerksam zu machen.
    Lloko erwiderte aber kein Wort. Mit der ausgestreckten Hand deutete sie auf den Boden vor sich, auf dem die Weißen allerdings auch nicht die geringste Spur mehr entdecken konnten, und schritt weiter. - Folgte doch kein Schweißhund je der Spur eines angeschossenen Wildes sicherer als sie den Fährten des Mannes, der ihren Stamm betrogen und verraten und der es jetzt gewagt hatte, sie zu mißhandeln.
    So blieben sie in den Spuren des Räubers, bis der Abend dämmerte und eine weitere Verfolgung unmöglich machte. Das wildeste Dickicht hatten sie dabei zu passieren, Stellen, an denen sich die Weißen in den Känguruhdornen oft nur so Bahn brechen konnten, daß sie sich mit Schulter und Rücken hindurchpreßten. Lloko achtete nicht darauf. Ihren Fellmantel um sich geschlagen und rücksichtslos, ob ihr die Dornen Arme und Füße wund rissen, war sie den Spuren gefolgt, bis sie die Dunkelheit zwang, davon abzustehen, und in der Fährte kauerte sie nieder unter einem Baum, verhüllte ihren Kopf mit dem Opossummantel und weigerte sich, sowohl zu dem bald darauf von den Weißen entzündeten Feuer zu kommen, als irgendeine Nahrung von ihnen anzunehmen.
    Tolmer, der Lloko übrigens sich selbst überließ, begriff allerdings noch nicht recht, wohin die beiden Verbrecher geflohen sein könnten, denn daß Gentleman John mit seinem Begleiter nach Point Marsden zurückkehren würde, war ihm nicht wahrscheinlich. Nichtsdestoweniger vertraute er dem Scharfsinn Llokos genug, nicht an ihrer

Weitere Kostenlose Bücher