Alle lieben Merry
gegeben.”
“Natürlich, nur angenommen!”
“Sie war ziemlich … seltsam. Klang irgendwie wütend. Ich habe gesagt: ‘Wer spricht?’. Und sie hat gesagt: ‘
Ich
bin deine Mutter, nicht diese Schlampe. Du bist
meine
Tochter. Nicht ihre.’ Dann hat sie aufgelegt.” Charlie stiegen heiße Tränen in die Augen, aber sie weinte nicht. “Der Anruf war schrecklich. Ich habe Angst bekommen und von Kopf bis Fuß gezittert.”
Jack warf den Lappen auf den Boden und ging zum Waschbecken. Er wollte auf der Stelle die Lasur von seinen Händen kriegen. “Ich hätte auch Angst bekommen. Hast du es Merry erzählt?”
“Das ist es ja. Ich will es Merry nicht erzählen. Es würde sie schrecklich traurig machen. Ich will nicht, dass sie es erfährt. Aber was ist, wenn das meine Mutter war? Kann sie bestimmen, dass ich bei ihr sein muss? Kann sie mich von hier wegholen? Ich meine, sie hat ja nicht angerufen und gesagt: ‘Hi, ich bin deine Mutter und habe dich all die Jahre schrecklich vermisst’. So wie jemand, den ich gern kennenlernen würde. Oder so, dass ich gern hätte, dass dieser Jemand meine Mutter ist. Stattdessen hat sie sofort mit diesem Gerede von der Schlampe angefangen. Als ich ins Bett gegangen bin und versuchte einzuschlafen, habe ich Angst bekommen, dass sie Merry vielleicht wehtun könnte. Oder mich holen kommt. Ich konnte nicht schlafen. Und ich muss gleich wieder hinüber, weil Merry merken könnte, dass ich weg bin. Aber ich habe gehofft, dass Sie mir sagen könnten, was ich tun soll.”
Meine Güte, dachte Jack. Genau so etwas brauchte er an einem Donnerstagabend, an dem er vier Teenager im Haus hatte und nicht wegkonnte – nicht einmal kurz. Nicht wenn ihm sein Hab und Gut sowie sein psychisches Wohlbefinden etwas bedeuteten. Andererseits konnte er Charlene genauso wenig mit diesem Problem alleinlassen – obwohl es ihn im Grunde nichts anging. Und auf Merry konnte er sich auch nicht weiter einlassen, ohne dass seine Schuldgefühle sich verdreifachen würden.
Mein Gott. Es war Schwerstarbeit, ein hartherziger Mann zu sein, der sich nur um seinen eigenen Kram kümmerte und sich anderer Leute Probleme nicht mehr aufhalsen ließ. Hatte er so gar nichts von seiner Exfrau gelernt? Wenn man nett war, benutzten Frauen – vor allem Frauen – einen als Fußabtreter. Trampelten auf einem herum. Meistens mit hohen Absätzen.
Aber dieses spezielle weibliche Wesen trug flauschige, orangefarbene Hausschuhe und hatte die sanften, dunklen Augen ihres Daddys. Er sagte: “Natürlich sage ich dir, was du tun sollst, kleiner Spatz. Mach dir keine Sorgen mehr. Wir bekommen das schon in den Griff.”
Ihr Gesicht hellte sich sofort auf und sie stieß einen Seufzer aus, der größer war als sie selbst.
Was sehr süß war, fand Jack. Nur lastete der Helm des tapferen Ritters, den sie ihm aufgesetzt hatte, verdammt schwer auf ihm. Er hatte keinen blassen Schimmer, wie er die Sache in Ordnung bringen oder was er überhaupt tun sollte. Noch schlimmer, ihm musste bald etwas einfallen. Sehr bald.
14. KAPITEL
D as Geräusch war kaum zu hören. Wüsste Merry es nicht besser, hätte sie gedacht, dass jemand Popcorn an ihr Schlafzimmerfenster warf. Sie hätte es vermutlich überhaupt nicht gehört, wenn sie geschlafen hätte. Doch da sie einfach nur da lag und keinen Schlaf finden konnte, war sie froh über einen Grund, aus dem Bett zu klettern und nachzusehen.
Selbst wenn sie geschlafen hätte, wäre sie jetzt hellwach.
Der Anblick von Jack im Mondlicht war fast zu schön, um wahr zu sein. Er war ganz in Schwarz gekleidet, mit dunklem Sweatshirt und ebensolchen Hosen, und machte ein finsteres Gesicht. Mit einem Fuß balancierte er unsicher auf dem Mauervorsprung genau unter ihrem Schlafzimmerfenster.
Als sie das Fenster öffnete, begann er sich hochzuziehen – allerdings nicht ohne vorher noch missmutig zu brummen: “Verdammt, ich bin zu alt für so einen Unsinn. Besonders nach Mitternacht.”
“Tja, warum tust du es dann?”, fragte sie. In Wahrheit fand sie es bezaubernd. Ein Ritter kletterte wie im Märchen zu ihr hoch, um sie zu retten. Natürlich brauchte sie niemanden, der sie rettete. Außerdem blieb dieser spezielle Ritter fast im Fensterrahmen stecken – seine Schultern waren zu breit. Glücklicherweise konnte er sich durchzwängen.
“Weil … ich mit dir reden muss. Über etwas, das nicht warten kann.” Er stellte ein Bein auf den Fußboden, zog das andere nach, machte das Fenster zu und verfing
Weitere Kostenlose Bücher