Alle lieben Merry
wollte, dass Menschen für mich wichtig sind. Nicht Jobs. Und nicht irgendwelche
Dinge.”
“Ich verstehe, was du meinst.” Charlie wagte wieder einen Blick von der Seite. “Siehst du sie manchmal? Deine Mom?”
“Alle paar Jahre mal. Sie schickt mir eine Karte zu Weihnachten und zum Geburtstag. Ich schicke Karten zurück. Manchmal kommt sie zu Besuch und wir gehen essen und unterhalten uns. Aber sie ist wie eine Fremde.”
“Ziemlich ätzend”, sagte Charlie.
“Ja. Heute weiß ich, dass diese lausige Beziehung zum Teil meine Schuld ist. Aber es ist einfach nicht mehr wie früher. Die Tatsache, dass sie mich verlassen hat, ist immer gegenwärtig. Das Vertrauen ist zerstört. Nicht dass ich sie je gehasst hätte oder so. Ich liebe sie. Aber mir ist es wirklich total wichtig, dass
ich
niemanden im Stich lasse, der mir vertraut.”
“So ginge es mir auch.”
“Was ich dir sagen möchte ist, dass ich nie ein Kind im Stich lassen würde. Nie im Leben würde ich ein Kind verlassen. Das ist nicht meine Art. Ich bitte dich nicht um dein Vertrauen, Charlie, weil man sich Vertrauen verdienen muss. Aber ich habe dir meine Geschichte erzählt, damit du mehr von mir weißt. Ich kann nicht garantieren, der beste Vormund für dich zu sein. Ich kann nicht garantieren, dass es mit uns klappen wird. Aber ich schwöre, dass ich dich nicht im Stich lassen werde. Verstehst du?”
“Okay, okay.” Charlene hatte zwar aufmerksam zugehört, aber Merry hätte wissen müssen, wann es genug mit dem Erwachsenengerede war. Doch Charlie stand auf und schmiegte sich an ihre Schulter. “Glaubst du, daraus wird etwas?”
“Woraus? Aus dem Laptop?” Merry spürte in ihrem Herzen den heftigen Wunsch, das Kind zu beschützen. Nicht wegen des doofen Computers. Sondern weil Charlene so etwas noch nie gemacht hatte. Sich an sie geschmiegt. Sie berührt. Nicht dass sie jede Umarmung ablehnte – und weiß Gott, Merry umarmte gerne und fest – aber Charlene hatte noch nie von sich aus ihre Nähe gesucht.
Das Kind war immer noch nicht damit herausgerückt, dass ihre Mutter angerufen hatte. Aber eins nach dem anderen. Es hatte sich gelohnt, dass Merry die ganze schmerzliche Geschichte von ihrer eigenen Mutter erzählt hatte – allein schon deshalb, weil sie spüren durfte, wie die Kleine sich an sie schmiegte.
“Ja, natürlich meine ich den Laptop. Kaufen wir ihn?”
Oh, sie sprachen also über den Computer. Zumindest Charlene tat es. Nun denn. “Klar, aber nicht jetzt, okay?”
“Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich ihn heute bekomme. Aber irgendwann?”
“Soweit ich es beurteilen kann, Charl, bist du mehr als kompetent, um herauszufinden, was dein Computer können muss. Wenn du einen wie diesen brauchst, sag es. Das Einzige, wo ich mitreden möchte, ist der Internetkram. Wir brauchen ein Programm, das Websites blockiert, die für Kinder nicht geeignet sind.
“Glaubst du, ich schaue mir Pornoseiten an? Igitt.” Charlie ging ein paar Schritte weiter und sah sich verschiedene Computer und die Aufkleber mit den jeweiligen Leistungsdaten an.
Merry folgte ihr. “Das meine ich nicht. Aber es gibt Leute, für die Kinder im Netz leichte Beute sind.”
“Ich bin schlauer als sie alle”, versicherte Charlene.
Ehe Merry antworten konnte, sagte eine vertraute Stimme hinter ihnen: “Na, was sucht ihr beiden denn?”
Merry fuhr herum. Es war Cooper. Charlene begann sofort, sich mit ihm über Gigabytes und Megabytes, über Kapazität und Soundqualität zu unterhalten. In der Hoffnung, Jack zu entdecken, schaute Merry sich um. Wenn sein Sohn in diesem Laden war, konnte er doch nicht weit weg sein, oder?
Ihr Herz klopfte wie das eines glücklichen Hundebabys. War das nicht schrecklich dumm, wenn hier doch weder an Sex noch andere Vertraulichkeiten auch nur im Entferntesten zu denken war? Kein Ort auf der ganzen Welt konnte unromantischer sein als dieser Laden. Aber sie wollte Jack zumindest erzählen, was der Anwalt gesagt hatte. Einfach ein paar Minuten mit ihm zusammen sein …
Doch sie hatte nicht vergessen, dass auch Jacks Sohn ein ernstes Problem hatte. Er war so liebenswert, wie er den Kopf schief legte, sich mit Charlene unterhielt und ihr das Gefühl gab, als wäre sie seine kleine Schwester – geliebt und beschützt.
Nach einiger Zeit jedoch war die Fachsimpelei der beiden beendet und Charlene fragte: “Merry, kann ich noch zwei Minuten zu den CDs? Ich verspreche, es dauert nicht länger.”
“Sicher”, sagte
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