Alle lieben Merry
Aber nun wurde Merry aufgehalten. Ihr Dad rief an, danach ihre älteste Schwester und dann eine Lehrerin, die Eltern als Begleitpersonen für einen Schulausflug suchte. Dann jemand von der Zeitung, der wissen wollte, ob sie die Verkaufsanzeige für Charlies Auto noch einmal schalten wollte. Dann jemand vom Rasenpflegeservice, der sich erkundigte, ob Familie Ross ihren Vertrag für den kommenden Sommer verlängern wollte.
Sie ging mit dem Telefon in Charlies Zimmer. “Wollen wir, dass die Firma Green Leaf sich um den Rasen kümmert?”, fragte sie.
“Ja. Dad hat schon viele Firmen ausprobiert. Sie mähen einmal pro Woche den Rasen und schneiden die Hecke. Sie erledigen zwar nicht alles im Garten, aber Green Leaf hat ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.”
Okay. In Fällen wie diesen waren Charlenes Worte für Merry Gesetz. Mittlerweile war es Zeit fürs Abendessen, und sie kämpfte gerade mit Fajitas. Für einen normalen Koch waren Fajitas mit Sicherheit einfach, aber nicht für sie. Dennoch war um achtzehn Uhr dreißig alles aufgegessen, was nicht angebrannt war.
“Fertig?”, fragte sie Charlie. Dumme Frage. Die Kleine saß praktisch schon auf dem Beifahrersitz im Mini Cooper.
“Was kaufen wir denn ein?”, fragte Charlie.
Merry wusste nicht, was sie sagen sollte. Wenn sie zu “Banana Republic” oder “BCBG” unterwegs gewesen wären, um Klamotten zu kaufen, hätte sie stundenlang aufzählen und ausschmücken können, was sie kaufen könnten. Aber ein Elektronikmarkt wie “Best Buy” war nicht ihre Domäne. Shoppen war jedoch immer förderlich fürs Reden gewesen, zumindest für Frauen, also hatte sie dieses Geschäft in der Hoffnung ausgesucht, dass Charlene sich ihr gegenüber leichter öffnen würde.
Sie hatte nur vergessen, dass sie einen Vorwand brauchte – einen Grund, warum sie dorthin gingen. Doch dann kam ihr die Erleuchtung. “Zwei Dinge”, erklärte sie Charlene. “Ich glaube, wir sollten uns ein neues Festnetztelefon kaufen. Eines, das den letzten Anruf anzeigt, weißt du? Also die genaue letzte Nummer. So etwas gibt es doch zu kaufen, oder?”
Charlie seufzte schwer. “Ja, Merry, so etwas hat es wahrscheinlich schon gegeben, bevor du auf die Welt gekommen bist.”
“Aber ich bin eine Niete in diesen Dingen.”
“Das wissen wir.”
“Also musst du es aussuchen, okay? Und wenn du schon dabei bist, kannst du dich auch nach einem neuen Handy umsehen.”
“Ich? Warum?”
“Weil ich glaube, dass es eine gute Sicherheitsmaßnahme ist, seine Nummer hin und wieder zu ändern. Ich weiß, dass es umständlich ist. Außerdem beuten die Handyanbieter die Teenager aus. Aber ich dachte, du hättest vielleicht gerne ein neues Handy.”
“Ein neues Handy wäre cool. Aber ich muss dir mitteilen, dass ein neues Handy und eine neue Nummer nicht notwendigerweise dasselbe sind”, sagte Charlie in einem Ton, der zu verstehen gab, dass Merry zu erziehen, ein mühevolles Unterfangen war.
“Wie auch immer. Und wenn wir dann schon mal da sind … Ich weiß, dass du die Computer wieder zum Laufen gebracht hast, nachdem ich sie gestern kaputt gemacht habe. Aber ich dachte, du würdest dir vielleicht gern die Laptops ansehen, die neu auf dem Markt sind. Oder Notebooks – wie auch immer man dazu sagt.”
Ja, ja. Vielleicht kannte sie nicht die richtigen Bezeichnungen, aber sie wusste, was Mädchen mochten. Das Shoppingfieber hatte Charlene eindeutig gepackt. Sie war so begeistert und aufgeregt, wie Merry es beim Ausverkauf bei Manolo Blahnik oder Christian Louboutin war.
Es war allerdings nicht ganz das gleiche Einkaufserlebnis. Denn kaum hatten sie den Laden betreten, wurde Merry von Panik ergriffen. Überall, wo sie hinsah, waren technische Geräte. Das Einzige, was sie erkannte, waren Küchengeräte und Fernseher. Und höchstwahrscheinlich konnte sie nicht einmal die Hälfte dieser Fernseher einschalten.
“Lass mich nicht allein”, bat sie Charlie kleinlaut, die sofort lachen musste.
“Du bist manchmal so witzig. Komm schon, wir werden Spaß haben.”
Klar, dachte Merry. Sie quälte sich durch die Handyabteilung, während Charlene sich viel Mühe gab, ihr die Besonderheiten jedes einzelnen Handys zu erklären – offenbar um Merry das Gefühl zu geben, die Kaufentscheidung mitzutragen. Der Laden war gerammelt voll – wer hätte gedacht, dass an einem Abend, an dem die Kinder am nächsten Tag in die Schule mussten, so viele Leute hier waren? Kinder und Erwachsene verstopften die
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