Alle lieben Merry
was nun geschehen würde. Die beiden hatten neue CDs. Sobald sie ihre Jacken ausgezogen hatten, würden sie augenblicklich unter ihren Kopfhörern verschwinden. Aber im Moment wusste er nicht, was er sagen sollte.
Er bemühte sich, nie schlecht über ihre Mom zu reden. Er sah keinen Sinn darin. Dianne war ihre Mutter und würde es immer bleiben. Egal, was sie getan hatte, die Jungs mussten ihr Leben lang mit ihr auskommen. Es hatte keinen Sinn, es ihnen schwer zu machen. Aber trotzdem, sie hatte sie im Grunde alle drei wegen ihrer Karriere im Stich gelassen.
Was Merrys Mutter ihrer Tochter angetan hatte, war genauso schlimm.
“Hey, kommst du, Dad?”
Kicker klopfte an die Scheibe. Jack bemerkte plötzlich, dass die Jungs sofort ausgestiegen waren, als er das Auto in der Einfahrt abgestellt hatte, er selbst aber immer noch hinter dem Steuer saß. “Verdammt”, sagte Jack, “ich war wohl einen Moment abwesend.”
Anlass genug für die Jungs, ihn ausgiebig aufzuziehen. Aber als Jack die Haustür zugesperrt und im Flur seine Jacke ausgezogen hatte, dachte er, dass dieses “abwesend” ein nur allzu treffendes Wort für seine Verfassung war.
Als er begonnen hatte, mit den Kindern zu reden, hatte er gehofft, jene Sache zu erfahren, die Cooper Merry anvertraut hatte.
Das hatte er nicht herausgefunden.
Stattdessen hatte er merkwürdigerweise etwas viel Tiefgründigeres entdeckt. Warum nämlich Merry einen so guten Draht zu seinem verschlossenen Sohn hatte und warum Coop ihr instinktiv vertraute. Merry verstand, was Cooper durchgemacht hatte, weil sie beide Mütter hatten, die sich für ihre Jobs statt für ihre Kinder entschieden hatten.
In Gedanken versunken öffnete er den Kühlschrank, nahm eine Flasche Orangensaft heraus und ging, immer noch abwesend, zum Küchenfenster.
Als Kind hätte er sich niemals auch nur im Entferntesten eine Situation vorstellen können, in der seine Eltern ihn verlassen würden. Er hatte die besten Eltern der Welt gehabt. Selbstverständlich hatten sie ihn genervt. Das taten Eltern nun mal. Aber er hatte keine Sekunde seiner Kindheit daran gezweifelt, dass sie ihn wollten und liebten.
Vielleicht war das der Grund, warum es ihn so hart getroffen hatte, dass Dianne sich von ihm getrennt hatte. Sein ganzes Leben hatte er nie daran gezweifelt, dass er liebenswert war. Und als sie seinerzeit zusammengekommen waren, war er felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie ihn ebenso liebte wie er sie. Als sie – nur wegen eines Jobs – gegangen war, war es für ihn, als hätte sie ihn auf einen bedeutungslosen Traum minimiert. Auf einen Traum, den man schnell wieder vergaß. Kein liebenswerter Mann. Nicht interessant, nicht sexy, nicht anziehend, gar nichts – und somit nicht genug, um für sie wichtig zu sein.
Sein Blick schweifte zu Merrys Haus. Drüben brannte kein Licht. Aber er schaute auch nicht wirklich hin.
Das Kreisen der Gedanken und Erinnerungen in seinem Kopf schien sich einfach nicht abstellen zu lassen. Aber selbstverständlich hatten die Sorgen seiner Jungs Vorrang vor seinen eigenen. Seine Aufgabe war es, für sie ein guter Vater zu sein, und nicht, seine eigenen Probleme zu wälzen.
Doch je länger er mit Merry zu tun hatte, desto mehr schien sein Leben in Aufruhr zu geraten. Wie eine Suppe, die heftig umgerührt wurde, kochte und dann überlief.
Offen gestanden, noch vor zwei Monaten war er rundum glücklich und zufrieden gewesen. Er hatte ein verdammt schönes Leben gehabt. Die Kinder waren prächtig gediehen, er selbst hatte Erfolg und alles andere war ebenfalls ausgezeichnet gelaufen.
Dann hatte Merry zugeschlagen.
Er wusste, dass es so etwas wie posttraumatischen Stress gab. Allerdings hatte er noch nie gehört, dass man durch eine Attacke Amors traumatisiert werden konnte. Konnte ein Mann je von so etwas genesen? Würde er es tun?
Plötzlich kniff er die Augen zusammen.
In Merrys Küche ging das Licht an.
Mit einem Glas Wein in der Hand und einer alten Decke über den Schultern stieß Merry die Glastür zur Veranda auf.
Sie ließ die Tür einen Spalt offen, damit sie hören konnte, falls Charlene nach ihr rief, und setzte sich auf die Stufen. Vor einer Stunde hatte es zu regnen aufgehört. Es war immer noch feucht und kalt, aber ein paar Minuten in der frischen Nachtluft konnten nicht schaden.
Charlene war heute Abend sehr spät eingeschlafen. Sie hatten zuvor stundenlang in der Küche gesessen. Merry hatte Boston Coolers gemacht – Vanilleeis mit
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