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Alle lieben Merry

Alle lieben Merry

Titel: Alle lieben Merry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Greene
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bist du dran.”
    “Welche Farbe soll ich nehmen?”
    “Eine, die dir gefällt. Was wir machen, sind Bilder mit großen Klecksen aus Farben, die uns gefallen.”
    “Das ist alles, was wir machen?”
    “Das ist alles”, bestätigte Merry.
    Charlie malte vorsichtig einen khakigrünen Strich.
    Merry beugte sich über Charlies Bild und spritzte mit ihrem Pinsel kirschrote Tupfen rundherum. Als Charlie sie verdutzt ansah, sagte sie: “Jetzt du. Mal du über meines drüber.”
    “Du meinst, ich soll dir deines ruinieren?”
    “Du
ruinierst
gar nichts. Wir malen einfach etwas, was sonst niemand malen würde.”
    “Niemand auf der ganzen Welt”, stimmte Charlie ihr trocken zu. Aber sie ging zu Merrys Leinwand und pinselte ein bisschen Orange auf ihr Bild.
    Als Antwort tauchte Merry ihre ganze Hand in den Topf mit Himmelblau und übersäte Charlies Bild mit Handabdrücken. Charlie zog ihre Socken aus und machte violette Fußabdrücke – auf Merrys Bild.
    Zum ersten Mal, zum allerersten Mal, seit Merry hier angekommen war, fühlte sie sich ein klein wenig stolz. Sie hatten Spaß zusammen. Sie
waren
zusammen. Und wenn dieser Anfang gemacht war, dachte Merry, bestünde die Chance, dass sie beide es schafften. Charlie würde den Tod ihres Dads nicht von heute auf morgen bewältigen. Merry würde sich nicht von heute auf morgen in eine Mutter verwandeln.
    Aber, Himmel, es gab endlich einen Funken Hoffnung.
    Die beiden malten, klecksten und pinselten, bis ein halbes Dutzend Leinwände nur so vor unterschiedlichsten Farben und verrückten Formen strotzten. Irgendwann merkte Merry, dass sie beide ebenfalls von Kopf bis Fuß mit Farbe bekleckert waren – aber was machte das schon?
    Merry trat einen Schritt zurück und begutachtete die Werke kritisch. “Na, wer sagt’s denn? Sieht das nicht toll aus? Wir sind verdammt gut, oder?”
    Aus Charlies Mund kam ein höchst merkwürdiges Geräusch. “Quatsch”, sagte sie dann.
    “Wie bitte? Quatsch? Was ist Quatsch?”
    “Es ist …” Und da war das Geräusch wieder – als würde Charlie gegen ein glucksendes Lachen ankämpfen, das ihr im Hals steckte. Ihre Fassade, die sie so mühsam aufrechterhalten hatte, schien zu bröckeln.
    Merry starrte sie ungläubig an. Es war nicht nur ein Lächeln, das Charlies Gesicht verwandelte. Vielmehr krümmte sich die Kleine vor Lachen – eindeutig als Antwort, wie grottenschlecht sie die Kunstwerke fand. Es war die Reaktion eines kleinen Mädchens, das im Moment auf Selbstbeherrschung und Tapferkeit pfiff und regelrecht brüllte vor Lachen.
    Nur … just in diesem Moment ging das Licht aus. Und die Musik, der Kühlschrank, die Heizung, alles. Was auch immer die Ursache für den Stromausfall war – in der Küche war es plötzlich stockfinster.
    Und der einzige, kostbare Augenblick voller ausgelassener, herrlich kindischer Fröhlichkeit war im Nu verschwunden.
    Angesichts des eisigen Sturms war Jack umso erleichterter, dass Heather nicht auf einer typischen Samstagabendverabredung bestanden hatte. Der ursprüngliche Plan war gewesen, ins Kino, danach etwas trinken und anschließend zu ihm nach Hause zu gehen. Aber so, dachte Jack beim Rasieren, konnten sie den Film überspringen. Und gleich zum Hauptgang schreiten.
    Nicht dass er fest damit rechnete, Sex zu haben. Aber hier und da war es dazu gekommen, wenn sie einander getroffen hatten. Heather liebte ihren Job, flog für ihre Karriere in der ganzen Welt herum und hatte kein Interesse, dauerhaft irgendwo zu bleiben. Aber wenn sie in der Stadt war, fühlte sie sich einsam.
    Jack war immer gern bereit gewesen, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen – zumindest zu den seltenen Anlässen, wenn sie ihn anrief. Er hatte sie seit Monaten nicht mehr gesehen und auch kein Treffen geplant – aber als er vorhin ans Telefon gegangen war und aufgrund der weiblichen Stimme vorschnell angenommen hatte, es sei Merry – Merrys Stimme, Merrys Gesicht am anderen Ende der Leitung, Merry, die seinen Puls rasen ließ – und als er in diesem Augenblick bemerkte, wie verrückt und unangemessen er für seine problematische Nachbarin zu empfinden begann, hatte er Heather sofort zugesagt.
    Jacks Ansicht nach war in seinem Leben nichts mehr normal, seit Merry hier aufgetaucht war. Also war es Zeit, wieder in den Sattel zu steigen. Sprichwörtlich. Und wenn Heathers akrobatische Fähigkeiten ihn nicht von der Frau nebenan ablenken konnten, dann konnte es nichts und niemand.
    Er war noch im Obergeschoss, hatte

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