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Alle lieben Merry

Alle lieben Merry

Titel: Alle lieben Merry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Greene
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selbst nur zwei Menschen, die für sie zuständig waren. Den Rechtsanwalt, der ein Aasgeier war, und einen menschlich armseligen
Verfahrenspfleger.
Wie konnte sie Charlie da im Stich lassen?
    Unmöglich.
    “Miss Olson”, sagte June, “Ich habe Informationen über Sie eingeholt. Diese Art von Neugier gehört zu meinem Job. Und ich muss sagen, dass mich Ihr Werdegang überhaupt nicht überzeugt hat. Sie verfügen über keinerlei Qualifikationen, ein Kind zu erziehen. Man gewinnt den Eindruck, dass sie eine Versagerin sind.”
    “Eine Versagerin? Sie kennen mich ja gar nicht …”
    “Ich weiß, dass Sie nach der Schule ein halbes Dutzend Jobs gehabt haben. Ihr Studium haben sie ebenfalls abgebrochen …”
    “Ich habe Verschiedenes ausprobiert. Allerdings glaube ich kaum, dass ich deshalb eine Versagerin bin …”
    “Sie waren drei Jahre am College und haben trotz passabler Noten nicht fertig studiert. Sie haben überhaupt nie einen Abschluss gemacht. Sie haben einen Kochkurs belegt und wieder abgebrochen. Auch als Kellnerin haben Sie gearbeitet, als Sachverständige bei einer Versicherung und als Managementassistentin. Nichts scheint je Ihr Interesse längere Zeit gefesselt zu haben. Sie haben sich niemals in etwas hineingekniet und durchgehalten. Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass mir Ihr Leben nicht höchst besorgniserregend erschiene. Möglicherweise haben Sie sich ja wegen der finanziellen Begleitumstände für diese Vormundschaft entschieden …”
    “Das stimmt überhaupt nicht. Als ich hierher gekommen bin, wusste ich nicht einmal, dass es ein Vermögen gibt. Das Geld spielt keine Rolle. Ich war seither nicht einmal wegen der Rechnungen für Strom und Telefon beim Anwalt. Der einzige Grund, warum ich hier bin, ist Charlie.”
    “Das klingt sehr schön. Sehr idealistisch. Ich kann Ihnen glauben oder auch nicht. Bis jetzt kann ich jedenfalls keine Anzeichen von Charakterstärke oder Kompetenz erkennen – also etwas, das mich überzeugen würde, dass Sie ein geeigneter Vormund für ein junges Mädchen sind.”
    Zu allem Überfluss läutete nun auch noch das Telefon. Der erste Anruf kam von der Schule. Ob sie bei der Tanzveranstaltung am Valentinstag mithelfen könnte? Sie hatte kaum zugesagt, als das Telefon ein zweites Mal klingelte. Ihr Vater. “Wie geht’s dir heute, Liebes?”
    “Alles okay. Ich rufe dich zurück, in Ordnung?”
    Mrs. Innes hatte sich nicht vom Fleck gerührt und nahm den Kampf sofort wieder auf. “Ich bin der Ansicht, dass das Kind eine Trauertherapie braucht. Möglicherweise ist auch ein Arztbesuch nötig. Ich werde mich in der Schule erkundigen, wie sie sich macht. Und mein nächster Besuch ist am …” Sie zog einen in Leder gebundenen Terminkalender aus ihrer Handtasche, die die Größe eines Koffers hatte. “Normalerweise halte ich für den Anfang einen Besuch alle paar Wochen für angemessen. Aber ich glaube, ich werde für die nächste Zeit jeden Montagnachmittag einen Termin festsetzen. Dann werden wir ja sehen.”
    Was
werden wir sehen?, dachte Merry wenige Minuten später, als sie zusah, wie Mrs. Innes in ihrem Sedan langsam davonfuhr. Sie würde sich nicht erschöpfter fühlen, wenn sie in der letzten Stunde fünfzehn Kilometer gelaufen wäre. Dann drehte sie sich um und sah Charlie, die um die Ecke lugte.
    “Du hast das meiste gehört?”, fragte Merry sie.
    “Nein.”
    “Aber natürlich hast du. Du hast gelauscht. Du braucht es nicht abzustreiten. An deiner Stelle hätte ich es auch getan.”
    “Vielleicht habe ich ein bisschen was mitgekriegt”, gab Charlie zu und begann, sich die Fußsohle zu kratzen, als fordere das Jucken plötzlich ihre ganze Aufmerksamkeit. Dann blickte sie wieder auf. “Du wirst nicht bleiben.”
    “Was?”
    “Ich habe gehört, was Mrs. Innes gesagt hat. Du wirst nicht bei mir bleiben.”
    “Charlie, das ist überhaupt nicht …” Aber es hatte keinen Sinn zu protestieren, denn Charlie stürmte schon in ihr Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
    Merry stand da und fragte sich, ob General Lee sich im amerikanischen Bürgerkrieg auch so besiegt gefühlt haben mochte, wie sie es jetzt tat.
    Sie war hier allein – in einem Teil des Landes, wo sie keine Freunde und keine Familie hatte. Charlie, für die sie sorgen sollte, war fantastisch darin, ihr schrecklich zu Herzen zu gehen, aber Merry selbst schien nicht in der Lage zu sein, Charlies Herz zu erreichen. Egal, wie sehr sie sich bemühte. Die Personen, von denen alles

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