Alle lieben Merry
Stimmung sich etwas aufzuhellen, aber Jack wischte die Idee energisch vom Tisch. “Vergiss es, Kicker. Merry würde sich nur Sorgen machen. Und wenn sie sich sorgt, schleppt sie Charlene zum Arzt. Und die Schule müsste auf die Mithilfe von jemandem verzichten, mit dem sie fest gerechnet haben. Diese Art von Lüge zieht immer Komplikationen nach sich. Sie zahlt sich nie aus.”
“Manchmal schon”, wandte Kicker ein.
Cooper hob die Hände, um zu signalisieren, dass zumindest er mit dieser Meinungsverschiedenheit nichts zu tun haben wollte und ging wieder ins Wohnzimmer zum großen Fernseher. Jack sah seinem Sohn grimmig nach. Erst Unruhe stiften und dann einfach verschwinden? Dieser Junge war klüger als sie alle zusammen.
“Hm, ich weiß nicht so recht. Mir gefällt die Idee irgendwie. Ich kann ziemlich gut lügen”, warf Charlene ein. “Aber wenn es Ihnen nicht gefällt, Mr. Mackinnon, wie wäre es stattdessen mit Coopers Vorschlag? Dass Sie Merry begleiten, damit sie mir nicht immer auf der Pelle sitzt.”
“Warte kurz”, sagte Jack plötzlich und lauschte. Er merkte, wie er vor ängstlicher Erwartung nur mehr ein raues Flüstern zustande brachte.
“Es ist zu viel verlangt, oder?”, fragte Charlene. “Schon in Ordnung. Ich verstehe das. Zwar würde ich am liebsten sterben, aber die ganze Angelegenheit ist ja nicht Ihr Problem.”
Als Jack es wieder an der Tür klopfen hörte, dachte er,
Nein, nein, der liebe Gott bürdet mir heute Abend bestimmt nicht noch mehr Schwierigkeiten auf.
Und schon steckte die personifizierte Schwierigkeit ihren Kopf zur Tür herein. “Jack? Charlie?”
Er sah sie ungefähr im selben Moment wie sie ihn.
In den letzten paar Tagen war er ihr so erfolgreich aus dem Weg gegangen, dass er angenommen hatte, der Stachel säße nicht mehr so tief – so wie ja auch ein Bienenstich nach einiger Zeit aufhörte, einen verrückt zu machen. Er erinnerte sich vage an seine enormen Schuldgefühle, weil er sie geküsst hatte. Wo sie doch eine so schreckliche Nacht wegen des Sturmschadens gehabt hatte … Aber ihre Bemerkung, ein
guter Freund
, ein
guter Vater
zu sein, hatte ziemlich an seinem Stolz gekratzt. Sie hatte ihn damit sozusagen entsexualisiert und zu einem Neutrum gemacht. Als wäre er nicht mehr in der Lage, sie zu verführen. So, als wäre er jenseits der Blüte seiner Jahre und seiner Manneskraft.
Aber hauptsächlich hatte er Schuldgefühle gehabt.
Eigentlich erinnerte er sich fast nur noch daran, dass sie unglaublich anziehend auf ihn gewirkt hatte. Mit ihrer seidigen Haut. Diesem weichen, kleinen, feuchten Mund. Dem schimmernden Haar, durch das seine Finger geglitten waren. Und mit ihrer Hingabe … der Art und Weise, wie sich ihr Körper wie das Versprechen an ihn geschmiegt hatte, dass er ganz ihm gehören wollte. Was ihn wiederum sehr erregt hatte.
Verdammt, vielleicht hatte er selbst gedacht, seine beste Zeit als Mann schon hinter sich zu haben. Sie jedenfalls hatte ihn vom Gegenteil überzeugt. Er war schneller und stärker erregt gewesen als mit fünfzehn. Und weiß Gott, mit fünfzehn hatte ihn allein der Anblick eines Mädchens schon heiß gemacht.
Irgendetwas war an ihr … abgesehen davon, dass sie Probleme bereitete und eine Nervensäge war. Sie war in seinen Küssen versunken und hatte seine Berührungen genossen – hatte
ihn
genossen – als existiere für sie in diesem Augenblick nichts anderes auf der Welt. Diese Art, sich hinzugeben, war so ehrlich und offen gewesen, so verletzlich, dass es ihm wie ein Traum vorgekommen war. Im wirklichen Leben war es doch verrückt, so ehrlich zu sein.
Sie hatte ihn begehrt. Er hatte das gespürt und gewusst, dass er bis zum Letzten hätte gehen können. Er hatte es gewollt.
Als er ihr jetzt in die Augen sah, dachte er, dass sie es auch wusste. Dass sie im Bett hätten landen können. Ihr Blick sagte ihm, dass sie es nicht bereut hätte. Dass sie ihn genauso begehrt hatte wie er sie. Und dass sie ein bisschen verwirrt gewesen war, weil er so plötzlich aufgehört hatte.
Aber einer von ihnen hatte um Himmels willen doch vernünftig bleiben müssen. Oder?
“Äh, Erde an Dad.”
Wie aus weiter Ferne hörte er eine Stimme. Doch nichts schien die Verbindung und den intensiven Blick zwischen ihm und Merry unterbrechen zu können, bis Cooper sich direkt vor ihn stellte. Sein Sohn streckte Merry die Hand entgegen.
“Ich bin Cooper. Und Sie sind Dads neue Nachbarin. Mrs. Olson, stimmt’s?”
“Merry”,
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