Alle lieben Merry
und ihren Geschmack auf der Zunge zu behalten, war die Mühe wert. Selbst wenn es bedeutete, kaum noch Luft zu bekommen und den Überblick sowie den Verstand komplett zu verlieren.
Von ihrer Haut, die wie Silber glänzte, ging eine Hitze aus, die erregender war als Nacktheit – zumindest fast. Bei jedem Kuss, jeder Berührung stellte er sie sich nackt vor. Wie sie im Mondlicht im Gras lag, irgendwann im Sommer, an einem Ort, wo niemand und nichts war, nur sie. Nur ihre Stimme, ihr Geruch, ihre Haut. Nur ihr Haar, das zwischen seinen Fingern schimmerte, ihr hinreißender Mund, das fordernde Kreisen ihrer Hüften, die sich ihm entgegendrängten.
Ein donnerndes Geräusch ließ beide die Augen öffnen. Etwas war offenbar auf den Boden gekracht. Ein großer Stapel Zeitschriften. Er bemerkte es, aber vor allem bemerkte er ihre glänzenden Augen und ihre Atemlosigkeit. “Bist du in Ordnung?”, fragte er leise.
“Äh … halbwegs, ja”, antwortete sie und sah ihm offen und ehrlich in die Augen. Ihre Stimme war so heiser, dass es fast nur ein Flüstern war. Sie schien langsam die Fassung wiederzuerlangen. Ihr wurde bewusst, wo sie waren. Sie sah die Bücher und Zeitschriften, die am Boden lagen. “Du meine Güte.”
Genau, dachte er. Endlich hatte sie es verstanden. Wie gefährlich sie zusammen waren. Was der Preis dafür war, wenn man mit dem Feuer spielte. Oder den Bären reizte. Egal.
Allerdings meldete sich jetzt, da sie so … verletzlich aussah, sein schlechtes Gewissen. “Ich kümmere mich um die Sachen, die umgefallen sind”, erklärte er bestimmt.
Er bückte sich. Auch sie hockte sich auf den Boden, aber er war der Erste, der die verstreuten Bücher und Zeitschriften einsammelte. Dann hob er sie auf und steckte sie zurück in die Regale.
Sie fielen alle wieder heraus.
“Bist du sicher, dass es dir gut geht? Ich kann dich sonst hinausbegleiten”, sagte er.
“Danke, es geht mir gut, wirklich.”
“Ich weiß nicht, was ich sagen soll …”
“Du brauchst nichts zu sagen”, sagte sie sanft. “Ich habe gespürt, dass so etwas passieren wird. Vielleicht nicht gerade in diesem Moment und ausgerechnet in diesem Laden. Aber, dass es geschehen würde, früher oder später.”
“Ich auch.” Tja. Er holte tief Luft. Es kam ihm verdammt egoistisch vor, sie jetzt, da sie doch so aufgewühlt war, allein zu lassen und ihr nicht zu helfen, es zu verkraften. Aber darum ging es ja, nicht wahr? Ihr eine Lehre zu erteilen. Dafür zu sorgen, dass sie so etwas nicht noch einmal herausforderten. “Ich muss nach Hause, Merry …”
“Natürlich musst du das. Ich auch.”
Also marschierte er davon – zumindest so weit, bis sie ihn zurückrief.
“Jack?”
Er drehte sich um.
“Willst du nicht deinen Einkaufswagen mitnehmen?”
“Oh. Natürlich.”
Er ging Richtung Ausgang zur Kasse. Fand seine Geldbörse nicht. Merkte, dass sie in der linken hinteren Hosentasche war. Am Parkplatz wusste er plötzlich nicht mehr, wo er seinen Wagen geparkt hatte.
Er dachte darüber nach, ob es vielleicht zu grausam gewesen war, so etwas mit ihr an einem öffentlichen Ort anzustellen. Sie war, trotz allem, seine
Nachbarin.
Seine Hände waren überall auf ihrem Körper gewesen, obwohl sie beide angezogen gewesen waren. Wenn er jünger gewesen wäre – wäre er einfach netter gewesen, mehr nicht.
Er öffnete die Autotür, kletterte auf den Fahrersitz und schaffte es nicht, den Zündschlüssel ins Schloss zu stecken. Nach einer Minute – möglicherweise auch nach drei Minuten – merkte er, dass der schwarze GMC nur so aussah wie sein Auto. Er gehörte jemand anderem.
Er stieg wieder aus und räumte seine Einkäufe aus. Es war ganz bestimmt eine gute Entscheidung gewesen, diese gefährliche, wilde Umarmung heute mit ihr durchzuziehen, sagte er sich.
Sie hatte ihre Lektion tatsächlich gelernt.
Ab jetzt würde er sich nicht mehr so viele Sorgen um sie machen müssen.
9. KAPITEL
L ee Oxfords Sekretärin hatte sie vor einer Viertelstunde kühl gebeten, Platz zu nehmen. Normalerweise hätte es Merry etwas ausgemacht, warten zu müssen, vor allem, da sie wegen des bevorstehenden Gesprächs mit dem Anwalt einigermaßen nervös war. Aber an diesem Morgen war sie froh, sich einfach ruhig in eine Ecke zurückziehen zu können. Sie dachte an Jack. Seit diesen verrückten Küssen im Supermarkt vor zwei Tagen ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Der süße Schatz war dermaßen verwirrt gewesen. Wer hätte gedacht, dass ein
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