Alle lieben Merry
Eindruck.”
“Damit kommen wir zu meiner letzten Frage”, sagte Merry langsam. “Die Frage nach Charlenes richtiger Mutter. Ich mache mir ständig Gedanken, ob sie noch lebt, wo sie ist und ob sie wieder auftauchen könnte. Und was ich tun soll, wenn sie tatsächlich vor der Tür steht?”
Lee antwortete ohne zu zögern. “Das wäre eine rechtliche Angelegenheit, Merry. Praktisch nicht in Ihrem Einflussbereich. Ich glaube nicht, dass Sie sich Sorgen machen müssen. Sie hat in all den Jahren nicht zu Charlenes Leben gehört. Aber wenn sie auftauchen sollte, rufen Sie mich einfach an. Es ist dann mein Problem.”
“Ich glaube, die Mutter hat Charlies Familie in Minnesota gekannt. Also wäre es möglich, dass sie erfahren hat, dass Charlie gestorben und ihre Tochter allein ist. Aus diesem Grund denke ich ständig über sie nach.”
“Tja, Sie können natürlich darüber nachdenken, bis sie schwarz werden, junge Frau. Charlie hat sich auch immer Gedanken darüber gemacht, dass sie auftauchen könnte. Aber im Grunde genommen gibt es nichts, was man tun kann, bevor die Frau tatsächlich hier erscheint und versucht, irgendwelche Ansprüche auf Charlie geltend zu machen. Lassen wir uns also deswegen keine grauen Haare wachsen, okay?”
Vielleicht hatte der Anwalt Merry durch seine joviale Art zu reden aufmuntern wollen, aber als sie nach Hause fuhr, fühlte sie sich trotzdem stärker verunsichert denn je. Zwar hatte sie ihre Fragen endlich loswerden können, aber durch das Treffen hatten sich keine Lösungen ergeben.
Je mehr sie sich mit ihrer Rolle als Vormund auseinandersetzte, desto stärker wurde ihr bewusst, dass Lee keine Antworten geben konnte. Auch ein Außenstehender konnte es nicht tun. Die einzigen Antworten, auf die es anzukommen schien, mussten aus ihrem Inneren kommen.
Das war nicht fair.
Rasch schob sie diese beunruhigende Erkenntnis beiseite. Charlene würde bald von der Schule nach Hause kommen … und sie hatten noch einiges vorzubereiten, da heute ihre Freundinnen über Nacht blieben.
Wenn es etwas gab, worin Merry Weltmeisterin war, dann waren es Partys.
Charlie würde heute mit ihren Freundinnen einen traumhaften Abend haben, das schwor sich Merry.
Unwillkürlich begann sie zu summen, und bald sang sie lauthals und fröhlich vor sich hin. Es machte ihr nicht einmal etwas aus, dass Charlene wegen der Party ungefähr so aufgeregt wirkte wie eine schlafende Schildkröte, als sie durch die Tür getrottet kam. Charlie war nicht die Art von Kind, das vor Freude auf dem Tisch tanzte.
Merry aber schon. Sie konnte für sie beide wilde Freudentänze aufführen.
“Merry, du musst das alles doch nicht tun. Mach dir doch nicht so viele Umstände”, sagte Charlie immer wieder. “Es kommen doch nur ein paar Kids.”
“Wir machen uns keine Umstände. Wir bereiten nur ein paar Dinge vor.” Wie etwa alle Möbel im Wohnzimmer an die Wand zu schieben, damit genug Platz für ein halbes Dutzend Schlafsäcke war. Wie etwa die drei großen Berge Brownies und die drei Tabletts mit Chocolate Chips Cookies, die sie gebacken hatte. Oder die sechs verschiedenen Dips für die Chips. Wie etwa einen Stapel DVDs vorzubereiten, aus denen sie Filme auswählen konnten, oder überall Kissen und Spiele zu verteilen.
“Was ziehst du an?”, fragte Merry.
Charlie sah erstaunt auf ihre Khakihosen hinunter. “Das, was ich anhabe. Warum?”
“Wunderbar, wunderbar”, beeilte sich Merry zu antworten. “Ich dachte nur, du würdest vielleicht gern etwas Bequemeres anziehen …”
“Sie sind bequem.”
“Okay, kein Problem.” Merry hatte insgeheim gehofft, dass der Haufen Mädchen, der zu Besuch kam, Charlie möglicherweise anspornen würde, es einmal mit anderen Kleidern zu versuchen – aber ein Schritt nach dem anderen. Offenbar war es ihren Freundinnen egal, wie sie aussah, nicht wahr? Denn acht Mädchen hatten die Einladung angenommen.
Merry schüttete gerade Salzbrezeln und Chips auf eine Platte, als es an der Tür läutete.
“Ich bin im Badezimmer”, rief Charlie.
“Okay! Ich mache auf”, rief Merry zurück und lief zur Tür. Sie war aufgeregter als Charlene angesichts der Aussicht auf Besuch, auf Lachen und ein Haus voller Spaß. Aber dann machte sie die Tür auf. Und sagte neugierig: “Hallo, kann ich dir irgendwie helfen?”
“Ich bin Robin. Ich komme zur Party. Und Sie sind Charlies Merry, stimmt’s?”
Einen Moment lang brachte Merry kein Wort heraus. Doch dann nickte sie so heftig wie ein
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