Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
noch fleißig: »Nicht das Hühnchen!«
    Das Zimmer füllte sich inzwischen mit Widderhälsen.
    »Da habe ich mich gerade mal ‘n paar Wochen wohl gefühlt«, sagte ich. »Also — ich muß erst mal ‘n bißchen ‘raus.«
    »Ja, wollen Sie denn nicht zu Mittag essen?« fragte Frau Widderhals.
    »Nein, danke, mir ist der Appetit vergangen.«
    Wir wanderten zwei Stunden lang, bis ich feststellte, daß ich einen ganz mörderischen Hunger hatte. Als ich zurückkam, öffnete sich die Küchentür, und Frau Widderhals kam heraus: »Noch immer keinen Hunger?«
    »Hm.«
    »Na — also! Ich habe Ihnen ‘s Mittagessen aufgehoben.«
    Sie stellte es mir hin: Beefsteak mit Bratkartoffeln. Es schmeckte mir zu meiner eigenen Überraschung hervorragend. Dann begann ich zu schnuppern. Herrlicher Duft erfüllte das Haus. Ich stand auf und ging unauffällig an den Fenstern der Wohnküche vorüber. Da saßen sie und aßen Aurelia. Anselm drehte sich um, als ob er meinen Blick gefühlt hätte, und grinste durchs Fenster. Er hob eine Keule hoch: »Na?«
    »Nein, danke.«

9

    Nach dem Mittagessen versuchte ich abermals, meine durch Aurelias jähes Ende angegriffenen Nerven spazierengehend zu beruhigen. Die beiden Lümmels waren — offenbar noch unter dem Eindruck der Tragödie — ausnahmsweise folgsam. Ich fand eine ergiebige Brombeerhecke, futterte und kam allmählich wieder ins Lot. Ich brachte es sogar soweit, daß ich mich in der Lichtung oberhalb des Filzer-Hauses auf einen Baumstumpf setzen und fünfzehn Seiten an einer Novelle schreiben konnte.
    Dann bemerkte mich der Filzer-Loisl, als er drunten seine sehr unwilligen drei Säue aus der Suhle in den Stall trieb, und kam zu mir herauf. Ich hatte in letzter Zeit mit ihm und Anselmus einige sehr feuchte Sitzungen im Stephanskirchner Dorfkrug abgehalten, und so konnte ich mich ihm jetzt nicht entziehen. Wie er da gegen mich anstieg mit seinen langen Haxn, den speckigen Hut mit der Spielhahnfeder schief aufs Ohr gehauen, dem roten Schnurrbart darunter, hätte er geradewegs aus der Wolfsschlucht entsprungen sein können.
    Er klopfte meine beiden Lumpenkerle ab, die ihn begeistert empfingen, weil er so schön nach seiner Jagdhündin roch, und versicherte, er wollte mich auf keinen Fall stören. Worauf er eine Virginia hinter dem Ohr vorzog und sich auf den Nachbarstumpf setzte.
    Dann erzählte ich ihm mein Pech mit Aurelia, und er erzählte mir darauf zum Trost, wie er seinerzeit nach Kriegsschluß, 1945, ganz allein die amerikanische Armee, und zwar ihre gefährlichste Formation, die Militärpolizei, besiegt habe. Und das passierte so:
    Er, der Filzer-Loisl, sei so drei, vier Monate nach Kriegsende aus dem Entlassungslager heimgekommen: »... mit oan’ Durscht, woaßt, daß ich glei sechsmal hintaranand ‘s Kreuzeck hätt aufikraxln könna weg’n oa oanzige Maß!«
    Damals war im Städtchen wie überall noch Sperrstunde, und ab neun Uhr sauste die MP mit schrillem Pfeifen, Armbinden und furchterregenden Colts durch die Gassen und arretierte Spätlinge. Der Filzer-Loisl, der jeden Abend beim Krugwirt tankte, um die im Entlassungslager versäumten Maße nachzuholen, war ein chronischer Spätling. Ein paarmal gelang es ihm, sich noch rechtzeitig zu drücken. Einmal konnte er allerdings nur entkommen, indem ihn die Stadler-Marie schleunigst durchs Fenster in ihre Kammer zog (es blieb nicht ohne Folgen, und sie war jetzt die Filzer-Bäuerin). Aber schließlich — eines Abends — erwischten sie ihn doch.
    Auf den Schienen jener rätselhaften Seelen-Untergrundbahn jedoch, die die Landser aller Länder verbindet, wenn sie nicht mehr aufeinander schießen müssen, schlidderte Loisl geradewegs in das Herz der MP-Patrouille, zumal er außer seinem treuherzigen Blick einen Literkrug mit schwarzgebranntem Enzianschnaps bei sich hatte.
    Der Krug war schon leer, als der Jeep vor dem Wachlokal bremste. Dort, in der Wache, regte sich in dem verhaftenden Sergeanten und seinen drei Untergebenen, die die Besatzung des Stützpunktes bildeten, das US-Nationalgefühl. Es veranlaßte sie, dem Gefangenen nunmehr ihrerseits das amerikanische National-Getränk — Whisky pur — vorzuführen. Als sie zu fünft zwei Flaschen White Horse ausgeblasen hatten, war der Filzer-Loisl bis auf einen kleinen Schluckauf gerade so richtig in Fahrt und führte einen Original-Schuhplattler vor. Die Militärpolizei revanchierte sich mit einem Cowboytanz. Dann marschierte der ganze Verein hinter das Haus und begann mit

Weitere Kostenlose Bücher