Alle lieben Peter
den Colts nach den leeren Flaschen zu schießen. Infolge Überdosierung des Zielwassers war aber das Ergebnis negativ. Loisl, der schon immer ein praktisch und nüchtern denkender Mann war, ging daraufhin ins Haus, holte sich eine Maschinenpistole und erledigte damit die ganze Flaschenreihe. Die MP fand den Einfall großartig und schenkte ihm die Maschinenpistole. Darauf ging man Arm in Arm ins Haus zurück und dort zu jener Sorte Starkbier über, das die Jungs barbarischerweise aus Konservenbüchsen tranken. Das Herz drehte sich dem Loisl im Leibe um, aber er trank mit, nur um — wie er seinen Freunden versicherte — diesen gräßlichen Anblick schnellstens loszuwerden.
Die Bieretappe des bunten Abends wurde durch die Ankunft der Nachbarpatrouille in einem Schützenpanzer unterbrochen. Sie war herbeigeeilt, weil man die Maschinenpistole gehört hatte, und tauschte mit Loisls Zechkumpanen eine Reihe markiger, wenn auch unverständlicher Ausdrücke. Loisl besänftigte sie durch einen weiteren Schuhplattler, worauf man sich gemeinsam der Vernichtung des restlichen Bierbestandes widmete. Zwei weitere Flaschen White Horse wurden mit in das Geschäft geworfen. Dann leuchtete es am Klappenschrank: die Nachbarpatrouille wurde per Telefon heimgerufen. Sie brauste im Schützenpanzer ab, nahm die Hausecke vom Apotheker mit und verschwand in der Dunkelheit.
Gegen vier Uhr morgens gab die MP das Rennen auf und sank in Schlaf, nachdem Loisl erklärt hatte, daß er für sie Wache schieben würde. Mit der geschenkten Maschinenpistole auf den Knien, setzte er sich vor den Telefonschrank und aß seltene Sachen, wie sehr salzige Wurst, Bonbons, eingemachte Ananas und Erdnußbutter. Auf der Grundlage einer großen Weißbrotschnitte baute er sich ganze Türme aus diesem Material auf und spülte sie dann mit Whisky herunter. So konnte es bleiben.
Bis gegen acht Uhr früh blieb es auch so. Die MP umschnarchte ihn in malerischen Stellungen, und Loisl war in das Stadium der Verdauung eingetreten, wobei er in regelmäßigen Abständen rülpste und gleich wieder das Hütl geraderückte.
Um acht Uhr schnurrte es am Klappenschrank: ein Anruf. Loisl versuchte vergeblich einen der Mannen zu wecken. Derweil schnurrte und blinkte es weiter. Loisl, der im Laufe seines bunten Landserlebens auch mal Telefonist gewesen war, rülpste noch einmal gewaltig und stieß dann entschlossen den Stöpsel in den Kontakt. Sodann verbrauchte er genau ein Drittel seiner frisch erworbenen amerikanischen Sprachkenntnisse, indem er »Hello!« sagte.
Es äußerte sich des längeren eine Stimme, die ungefähr die Lieblichkeit eines über einen alten Blecheimer geführten Reibeisens besaß. Sie gehörte, wie sich später herausstellte, dem Abschnittskommandeur, Full Colonel Roy C. Lawrence. Ein Full Colonel ist ein regulärer Oberst, der einen Adler auf der Schulter trägt und in der amerikanischen Armee bereits einen furchterregenden Rang bekleidet. Der Adler wird von den amerikanischen Landsern zwar >chicken< = Huhn genannt und die von dem Träger dieses Vogels gemachten Äußerungen respektive erlassenen Vorschriften >chicken-shit<, das heißt Hühnerdreck. Es empfiehlt sich aber trotzdem für einen amerikanischen Landser keineswegs, einen Full Colonel zu ärgern.
Soviel über die Rangordnung der amerikanischen Armee. Loisl hatte davon, als er den Anruf empfing, natürlicherweise keine Ahnung. Aber diesen knurrig-blubbernden Tonfall kannte er noch von seinem eigenen Verein her und ließ ihn deshalb respektvoll eine Weile rauschen.
Colonel Roy C. Lawrence fragte zunächst (wie sich ebenfalls später herausstellte), warum sich denn, zum Teufel, keiner von den versoffenen MP-Säcken ans Telefon geschert habe und wo man zweitens an diesem nunmehr angebrochenen glorreichen Samstag eine Lederhose und einen Gamsbart kaufen könne. Er wolle beides mit in die Staaten in Urlaub nehmen.
Als die Stimme nach der Darstellung dieses Sachverhaltes eine Pause machte, verbrauchte Loisl, dem allmählich der Schweiß auf die Stirn trat, das zweite frisch dazugelernte Drittel Amerikanisch und sagte möglichst gedehnt und faul, wie er es gehört hatte: »Okay.«
Im Hörer war ein Moment Schweigen, und dann explodierte es. Der Colonel versprach, die gesamte Stützpunktbemannung sehr schnell zu Corned beef zu verarbeiten. Loisl entnahm dem Tonfall, daß ein ernsthafter militärischer Kurzschluß eingetreten sei, und blickte verzweifelt in die friedlich schlummernde Runde.
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