Alle lieben Peter
dem möcht’ ich nicht tauschen. Nicht um die Welt. Und Sie würden’s auch nicht.«
»Warum denn nicht?«
»Erstens verdient er sein Geld auch nicht so einfach. Der muß sich auch ganz schön abstrampeln, bis er seine Aufträge beisammen hat. Na, und dann die Alte!«
»Wieso? Ich meine, sie ist mir auch nicht sympathisch, aber...«
»Na, der ist doch nichts wie ihr Kuli. Die Säge hat sie mit in die Ehe gebracht, und sie gehört ihr noch heute. Gütertrennung, verstehen Sie? Von ihm will sie nichts mehr wissen, aber wehe, wenn er mal nach anderen Mädels schaut. Sie wirft ihm sogar vor, daß sie keine Kinder bekommt. Als ob das an ihm läge! Man sieht’s ihm nicht an, dem Dicken da drüben — aber der hat’s weiß Gott nicht leicht.«
Er seufzte: »‘s wird eben überall nur mit Wasser gekocht — aber davon, daß man’s weiß, hat man auch nicht mehr Geld. Na, schönen Dank für die Zigarre.« Er nickte mir zu, steckte die Hände wieder in die Taschen und schob um die Ecke, die Schultern eingezogen, als trage er einen Doppelzentner.
Ich zog fröstelnd den Schlafrock um mich und schloß das Fenster. »Aoo — aoo — aoo«, machte es hinter mir. Der Dicke wälzte sich auf dem Teppich. Als ich ihn ansah, wischte er sich mit den Pfoten über die Augen, besah sie dann prüfend und leckte sie ab.
»Ja, ja, gleich«, sagte ich und griff die Borwasserflasche und das Wattepaket. Sobald ich mich zu ihm niederkniete, war auch Weffi da und stieß den Kopf gegen meine Hand.
Ich schob ihn zur Seite: »Warte doch, erst kommt der Dicke.«
Worauf sich Weffi neben Cocki auf den Rücken warf und ebenfalls über die Augen wischte.
»So — Augen fertig«, sagte ich zu Cocki, »jetzt kämmen!« Ich nahm mir zuerst den Bauch vor und holte ihm mehrere Dutzend kleiner Kletten und sonstige undefinierbare Krümel aus seinen Behängen.
»Jetzt Ohren und Rücken!« Aber er wollte durchaus nicht aufstehen, ließ die dicke Zunge höchst albern seitwärts aus dem Maul hängen und tatzte nach meinem Gesicht.
»Na, dann kommt eben erst Weffi dran!«
Sobald ich anfing, Weffi zu kämmen, war der Dicke auf und hielt mir sein Hinterteil hin.
Nach dem Zurechtmachen ließ ich die beiden ‘raus. An der Tür wartete schon Zollo auf sie. Dann wusch ich mich selbst und ging ins Wohnzimmer, wo das Frühstück schon bereitstand. Sofort waren Cocki und Weffi wieder da und warteten auf ihre Häppchen. Neuerdings setzte sich auch Zollo zu ihnen. Cocki hatte es ihm gnädig erlaubt.
Ich fütterte sie der Reihe nach und las den >Waldenauer Heimatboten<. Preiskegeln beim Unterwirt. Ein Verkehrsunfall an der Fichtaler Kreuzung. Natürlich wieder ein Motorradfahrer. Leberecht Pruchtdörfler in Waldenau hatte seinen Laden >total neu renoviert< und lud zur Besichtigung seiner nahezu geschenkten Sonderangebote ein. Der Stadtrat erwog noch immer die Wasserleitung nach der Rienzinger Höhe.
Während ich es las, schien es mir, als hörte ich eine einfache, schöne Melodie: Heimat. Es war mir, als sei ich schon hundert Jahre hier. Das Herz hatte neue Wurzeln getrieben und schickte sich an, sie in diese Erde zu senken. Ich seufzte: ein überaus unvernünftiger und hindernder Körperteil — dieses Herz.
Marianne kam und machte sich am Ofen zu schaffen, während ich wohlgefällig ihre Formen betrachtete. Ein netter Käfer. Ich nahm mich moralisch an die Kandare und erkundigte mich nach ihrem Schreinergesellen. Er käme morgen, erzählte sie, und dann wollten sie nach Stephanskirchen ins Bauerntheater.
»Sagen Sie mal, Marianne«, sagte ich, während sie nun das Geschirr abräumte, »kommen denn da eigentlich genug Leute zu so einer Vorstellung?«
»Ach, viele!«
»Auch so junge Mädel und Burschen?«
»Freilich. Wundert Sie das?«
»Ja. Ich meine, wo es doch im kleinsten Ort ein Kino gibt.«
Sie faltete das Tischtuch zusammen: »Ach, haben Sie eine Ahnung! Es gibt so viele Mädel hier auf den Einödhöfen ringsum, die das ganze Jahr nicht ins Kino kommen. Die werden ganz schön streng gehalten. Und außerdem — es ist doch richtiges Theater. Für uns wenigstens — Sie werden sicher darüber lachen.«
»O nein«, sagte ich, »das ist gar nicht zum Lachen. Und wenn ich’s mir genau überlege, ist’s eigentlich eine schöne Sache, daß es vom Kino noch nicht umgebracht worden ist.«
»Soll ich Ihnen auch eine Karte besorgen?«
»Ja — o ja, bitte!«
Dann hob ich die Sitzung auf und machte mit den beiden den traditionellen
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