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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Morgenspaziergang. Ebenso traditionell begleitete uns Zollo eine kurze Strecke und blieb dann bedauernd zurück: »Tut mir leid — muß das Haus bewachen.«
    Ich schritt kräftig aus. Die Luft war wie Stahl, und die bösen Ahnungen begannen zu weichen. Wir gingen zu den Buckelwiesen.
    An diesem Morgen wurden Cocki und Weffi zur selben Minute von ihren Bedürfnissen übermannt und suchten sich außerdem denselben Wiesenbuckel aus. Ein Buckel mußte es sein, so schrieb es der Ursinn vor, weil man von dort aus in dieser behinderten Situation einen Feind am ehesten sehen konnte. Der Buckel war so spitz, daß sie beide zugleich keinen Platz darauf hatten, und so gingen sie denn nach einigem Geschubse Rücken an Rücken gepreßt in die Knie. Es sah aus wie der kaiserlich-königliche österreichische Doppeladler seligen Angedenkens.
    Ich lachte Tränen. Die beiden sahen mich vorwurfsvoll an: »Dabei gibt’s doch nichts zu lachen!«
    Nach vollendetem Werk wurde — ebenfalls nach ehrwürdiger Wildhundtradition — gescharrt, um die Spur zu verwischen, aber bei dieser Zeremonie war doch der Ursinn schon stark in Vergessenheit geraten, denn die aufgewühlte Erde flog überallhin, nur nicht auf das vollendete Werk.
    »Na, ihr Clowns«, sagte ich, »dann wollen wir mal umkehren, Herrchen muß arbeiten.«
    Daheim setzte ich mich mit meiner Schreiberei ins Wohnzimmer, während die beiden sich irgendwohin verkrümelten. Die Zeit verrann, die Feder kratzte, der Ofen bullerte. Einmal erschien Marianne, um ein paar Braunkohlen nachzulegen. Als sie merkte, daß ich schrieb, schlich sie auf Zehenspitzen wieder hinaus.
    Und dann kam es — wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Vor dem Fenster waren Stimmen und ein Hin und Her, das ich zunächst — in meine Novelle vertieft — nur mit halbem Ohr auf nahm. Plötzlich jedoch flog die Tür auf, und im Türrahmen stand ein sehr blasser und verbissener Anselmus. In seiner einen Hand hing der kleine Löwe, den er am Nackenfell gepackt hatte, und in der anderen Hand hing eine dicke, blutige Henne. Tot. Im Flügel hatte sie ein Blechschild. Es war eins von den Hürzinger-Hühnern!
    »Ich hab’ ihn gerade erwischt!« sagte Widderhals. »Wieder unten am Bach!« Er ließ Cocki fallen, der mir einen scheelen Blick zuwarf und sich unter das Sofa verkroch. Dort legte er den Kopf auf die Pfoten und rollte die Augen zwischen Anselmus und mir hin und her. Er sah mürrisch und besorgt aus.
    »Um Gottes willen«, sagte ich. »Wissen es die Hürzingers schon?«
    »Nein. Aber gegen Abend werden sie’s vermissen.« Er sah mit einem kalten Blick auf Cocki: »Wenn ich meine Flinte dabei gehabt hätte, wär’ er nimmer.«
    »Nein, Anselmus«, sagte ich, »das hätten Sie nicht getan.«
    Er wich meinem Blick aus und ließ sich mir gegenüber in den Stuhl fallen: »Aber der Hürzinger schießt ihn ab — und der Cocki verdient’s. Er hat mal Blut geleckt, und damit ist’s aus. So was erschießt man.«
    »Nicht, solange ich da bin!« sagte ich. Dann sahen wir uns beide in die Augen, bis wir uns ganz verstanden. Ich stand auf, holte die Zigarren von nebenan, und wir teilten uns die beiden letzten. Dann holte er die Flasche und zwei Gläser. Wir stießen an. Es war alles klar zwischen uns.
    Ich mußte mich mehrmals räuspern, bis ich es heraus hatte: »Schade, Anselmus. Hab’ mich sehr wohl gefühlt bei euch.«
    »Er ist mein größter Stromkunde — der Hürzinger.«
    »Sie brauchen sich nicht bei mir zu entschuldigen. Ich muß es. Sagen Sie ihm, Sie hätten mich ‘rausgeschmissen. Und hier — sind zwanzig Mark. Kaufen Sie ihm davon zwei Hennen, wenn ich weg bin.«
    »Wann fahren Sie?«
    »Sobald ich gepackt habe — sagen wir in zwei Stunden.«
    Die Tür öffnete sich, und der ganze Harem quoll herein. Ka-threin und Marianne setzten sich aufs Sofa, die Zenzi kletterte auf Papas Schoß und Polli auf meinen. In all meinem Kummer mußte ich konstatieren, daß sie kleine Dreckschuppen am Hals hatte. Die Mutter blieb in der Tür stehen und sah mich streng und gramvoll an: »Das ist sehr böse, Herr Bentz.«
    »Er fährt sofort«, sagte Anselmus, »und da liegt’s Geld.«
    Polly auf meinem Schoß fuhr herum: »Fort — für immer? Nein!« Sie warf mir die Arme um den Hals und weinte. Ich streichelte mechanisch ihr Haar und sah sie mir alle an: mein kleiner Verein. Die Mutter knüllte jetzt die Schürze in der Hand. Anselmus goß mir schnell noch einen ein, weil er sah, daß es mir feucht in den Augen

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