Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
Der Drahtzaun der Weide glitzerte im Brillantbehang der Nebeltropfen, das Wasser des Mühlgrabens gab einen trüben Reflex.
    »Peter?«
    Na also, sagte die Stimme der Faulheit, da siehst du’s. Hättest du dir sparen können. Geh wieder ins Bett.
    Aber ich gab mir keinen Pardon, zog mir den Mantel über den Schlafrock und schlich mich durch den Flur, in dem nur das Stampfen der Turbinen schwang, ins Freie. Ich ging bis zur kleinen Brücke, leuchtete umher, rief halblaut. Plötzlich stieß mich etwas an. Eine heiße Zunge fuhr über meine Hand. Ich schrak zusammen, riß die Leuchte herum: »Peter?«
    Es war Zollo. Er war aus seiner Hütte gekommen und wedelte mich an. Seine Augen flammten grün im Lichtreflex. Ich beugte mich zu ihm nieder, zog seinen Kopf an mein Gesicht: »Kein Peterle, Zollo.« Die Nachtluft begann mich im Hals zu kratzen. Ich schlich mich wieder ins Haus.

    Als ich am Morgen erwachte und aus dem Fenster schaute, war die Luft scharf und rauh. Wetterumschlag. Deshalb wohl der schwere Traum. Aber etwas in mir nahm diese bequeme Erklärung nicht an. Es behauptete, daß Peterles Ruf über die Berge hinweg mehr gewesen sei als ein Traum und daß überhaupt allerlei Unheil in der Luft liege.
    Nimm dich zusammen, sagte ich zu mir. Es gibt keine Unheilsahnungen.
    So? Wirklich nicht? fragte die andere Stimme, und ich wußte, was sie meinte. Bisher waren nämlich meine Unheilsahnungen immer bestätigt worden, und gerade jetzt hatte ich sie ganz stark. Alles in mir krümmte sich zusammen, als ob es einen Schlag erwarte.
    Unter dem Fenster marschierte die weiße Henne mit ihren Küken vorbei und dahinter gravitätischen Schrittes Agathe. Ihre starken Füße traten vorsichtig das Gras der Wiese, in der unzählige, mit den Silberperlen des Morgennebels beschwerte Spinnennetze ausgespannt waren.
    »Agathe«, sagte ich, »du bist doch eine vernünftige Person, es ist doch alles Unsinn, nicht wahr?«
    Sie drehte den Kopf schief gegen mein Fenster und sah mich mit einem dunklen Auge ernst an: »Tschuck-tschuck — nimm es nicht zu leicht.«
    Anselmus bog um die Ecke. Er hatte eine halblange Pfeife aus dem Mundwinkel hängen, die Hände in den Taschen und den Kragen seiner uralten mehlbestaubten Jacke hochgeschlagen.
    »Mit wem reden Sie denn da?« fragte er.
    »Ich? Ach — mit Agathe.«
    »Hm.« Er paffte an seiner Pfeife, nahm sie, als kein Rauch kam, aus dem Mund und inspizierte sie mit melancholischem Gesichtsausdruck. Dann steckte er sie kalt wieder zwischen die Zähne und sah mich an: »Waren Sie heute nacht draußen?«
    »Ja — ich hörte einen Hund bellen. Haben Sie es auch gehört?« Die sogenannte Vernunft in mir griff hastig nach dieser Möglichkeit. Dann wäre ja alles erklärt gewesen: Mein Unterbewußtsein hatte das Hundebellen in den Schlaf übernommen und daraus dann den Traum von Peter gebaut.
    Aber Anselmus schüttelte den Kopf: »Nichts gehört.«
    »Na, Sie haben wahrscheinlich fest geschlafen.«
    »Nein.«
    »Nicht?«
    »Nein.«
    »Warum denn nicht?«
    Er nahm wieder die Pfeife aus dem Mund und studierte ihren leeren Kopf. Die Falten in seinem Gesicht schienen sich zu vertiefen.
    »Moment«, sagte ich, ging zum Schrank und holte eine Zigarre für ihn. Es waren übrigens nur noch drei Stück in der Kiste. Ich mußte haushalten, denn vorläufig konnte ich mir keine neuen leisten.
    Er steckte die Zigarre an und blies den ersten Zug durch die Nase: »Ja, wissen Sie — es ist nämlich so: Wir kleinen Müller tun uns immer schwerer. Die großen Mühlen fressen uns alles weg. Nur die allernächsten Nachbarn lassen noch aus Gefälligkeit bei mir mahlen. Außerdem nehmen sie mir ‘n bißchen Strom ab, aber ich muß ihn ganz billig liefern, weil er schlecht ist. Ich brauchte ‘nen Spannungsregulator, aber das Geld reicht nicht mal für die Turbinen. Die sind jetzt fünfundzwanzig Jahre alt und vor fünf Jahren überholt. Wenn der Hürzinger nicht soviel Strom für seine Maschinen nehmen würde und im Sommer ‘n paar Gäste kämen — ich wüßte nicht, wovon ich meine Mädels satt machen sollte. Aussteuer kann ich ihnen sowieso nicht geben. Da kann man eben manchmal nicht schlafen.«
    Ich seufzte: »Oh, das kenn’ ich. Ja, man hätte eben als ein Hürzinger geboren werden sollen. So in einem hin mit Klosettdeckeln, Bierkisten und Särgen. Der braucht keinen Finger krumm zu machen, und das Geld plätschert ihm nur so in den Beutel.«
    Anselmus zeigte mit dem Daumen gegen das Sägewerk: »Der? Mit

Weitere Kostenlose Bücher