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alle luegen

Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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Sie sich mal keine Sorgen«, sagte ich. »Das passiert nicht.«
    »Das sagen sie alle am Anfang.«
    »Ich sage es und ich meine es.«
    »Na, prima«, sagte er und ging hinüber zur Handtaschen-Piazza. Ich sah zu, wie er die gesamte Verkaufsfläche durcheinander brachte. Vielleicht würde er ein bisschen auftauen, wenn er feststellte, dass ich ihm weder seine Kunden noch seine Einzeiler klauen wollte - dann könnten
    wir zumindest höflich miteinander umgehen. Olga kam vorbei, um unsere Umsätze zu kontrollieren. Malcolm hatte viertausend geschafft, ich um die drei. Zufrieden mit sich, schenkte er mir das dritte Lächeln an diesem Tag. Ob ich wohl beide Kassen machen könnte. Er käme sonst zu spät zu einem Termin mit seinem Produzenten.

5
    Als ich von der Arbeit nach Hause kam, sah ich Christian in der Lobby leise mit einer Frau sprechen, die milchkaffeebraune Haut und glänzend schwarze Haare hatte. Als sie Christian anlächelte, wurde eine Reihe strahlend weißer Zähne sichtbar. Sie stand ganz dicht bei ihm - so dicht, dass sie vermutlich mehr als nur Freunde waren. Ich tat, als würde ich die beiden nicht bemerken, und ging zu Carmis Briefkasten. Es war nicht viel für ihn drin - nur ein paar Kreditkartenangebote. Und ... ein Brief von Jan an mich! Als ich seine Schrift sah, spürte ich ein nervöses Flattern im Bauch. Ich hatte schon einige Zeit nichts mehr von ihm gehört und mich gefragt, ob er unsere kleine Geschichte wohl schon vergessen hatte. Ich hatte ihm meine New Yorker Adresse geschickt, einfach um durch Post eventueller Einsamkeit entgegenzuwirken. Meine Mutter wollte mir einmal die Woche schreiben. Ich bekam gerne Briefe. Es hatte etwas Beruhigendes, den eigenen Namen auf einem Umschlag zu lesen.
    Als ich den Fahrstuhl erreichte, wartete Christian bereits in der Kabine, sein Finger klebte geradezu auf dem Knopf, um die Tür geöffnet zu halten. Er war allein. Ich konnte praktisch die Rädchen in seinem hübschen Köpfchen rattern hören; er überlegte, ob er mir nun von der Frau erzählen musste oder nicht. Weitere dreißig Sekunden verstrichen.
    »Noch mal danke für den Kaffee«, begann er.
    »Schon gut.«
    Er zögerte und warf mir einen flüchtigen Blick zu.
    »Dein Finger müsste langsam müde werden«, sagte ich.
    Christian ließ den Knopf los. »Ja«, lachte er. »Ich scheine vergessen zu haben, wo ich eigentlich hinwollte.«
    Wir sahen zu, wie die Zahlen über unseren Köpfen aufleuchteten: 2, 3,4,5, 6.
    »Gehst du morgen mit mir zum Essen?«, fragte er, wobei seine Stimme bei jedem Wort anstieg.
    »Geht nicht«, antwortete ich. »Ich hab zu tun.« Ich wollte nicht, dass er glaubte, ich hätte nichts vor, auch wenn es so war.
    »Natürlich geht es«, erwiderte er, als ob schon alles klar wäre. »Ich werde dich gegen halb neun abholen, okay?«
    »Ich kann nicht«, wiederholte ich.
    Er runzelte die Stirn. Offenbar wollte er sich nicht abweisen lassen. »Doch, du kannst.«
    Rückblickend wäre das meine Chance gewesen, Christian einen Korb zu geben - ihn rechtzeitig aus meinem Leben auszusperren. Das Problem war nur, dass ich ihn irgendwie mochte. Ich wollte es zwar nicht zugeben, aber er hatte etwas Faszinierendes an sich. Zumal ich auch nicht gerade unzählige andere Angebote hatte. Grund genug, nachzugeben. Ich sagte also, dass ich darüber nachdenken würde. Wie vorauszusehen, deutete er das als Zusage.
    »Dann ist ja alles geregelt«, triumphierte Christian, als die Fahrstuhltüren sich öffneten. Er drehte sich um und ging auf seine Wohnung zu. »Bis morgen«, sagte er. Dann schloss er die Tür und war weg.
    Ich fischte Jans Brief aus meiner Jacke und riss ihn auf. Er war kurz, nur ein paar Sätze auf dünnes Luftpost-Papier gekritzelt. Jan schrieb, dass er in zehn Tagen nach New York kommen würde; er hätte hier zu tun und wollte mich wieder sehen. Wenn ich keine Lust dazu hätte, würde er es verstehen. Er hatte mir das Datum und eine Flugnummer aufgeschrieben; ich könnte ihn am Flughafen abholen, wenn ich wollte. Er würde in einem Hotel wohnen. Das war alles, was in dem Brief stand. Seine Zurückhaltung kam meinem Faible für das neunzehnte Jahrhundert entgegen - ich durfte mir den Rest ausmalen. Ich versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen, aber da war nichts. Jan strömte nicht gerade über vor Emotionen. Und das war es, was mir am besten an ihm gefiel.
    Ich duschte und betrachtete mich dann in dem beschlagenen Spiegel, um herauszufinden, ob ich mich verändert hatte. Es war über

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